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SALON HERDSCHWAND

Über Mittel und Wege - Lebensmittel zur Diskussion gestellt

Eine tote Maus im Eistee ist selten

Am 13. August zum Thema "…vom Haar in der Schokolade bis zum Durchfall nach dem Genuss" machte Urs Buchegger zusammen mit Judith Huber, Gabi Kopp, Adi Blum (Protokoll) und Claudia Niederberger eine Risikoanalyse eines Midor-Guetzli. Zum Essen gab es Fruchtkompott.

Eine tote Maus im Eistee ist selten. Und wie sich nach genauer Analyse herausgestellt hat, ist sie auch nicht während dem Produktionsprozess in den Eistee geraten. Aber mit solchen Problemen sehen sich Leute, die für die Qualitätssicherung von Lebensmitteln zuständig sind, konfrontiert. Auf Grund der Reklamationen, die über ein bestimmtes Produkt bei ihnen eingehen, können sie geeignete Massnahmen ergreifen, um die Qualität eines Produktes zu sichern.

Aber ganz von vorne: Urs Buchegger war schon von Kindsbeinen an fasziniert von Lebensmittel und hat genascht. Er machte dann eine Lehre als Laborant bei Lindt&Sprüngli. Dann absolvierte er das Tech und ging zu Maggi, einer Firma, die einst Pionier war im Bereich der Lebensmittelproduktion. Heute arbeitet er bei Midor in Meilen, welche Guetzlis und Glace herstellt. Midor gehört der Migros und produziert auch 85% für den Binnenmarkt, 15% der Produktion geht in den Export. Urs Buchegger ist für die Qualität der Exportprodukte zuständig.

Was alles kann schief gehen bei der Produktion eines Guetzlis? Wir widmeten den Abend dem Nougat Noisette, welches Midor an den Grossverteiler Le Muton nach Frankreich liefert. Das Nougat Noisette ist ein vielschichtiges Guetzlis mit Schoggiboden, einer Haselnuss-Füllung, einem Meringue Schaumgebäck Deckel und gemahlenen Guetzli-Streusel oben drauf.

Ein Guetzli, das Urs Albträume verursachen würde sähe ungefähr so aus: Es ist zu dunkel gebacken, die Streusel kleben nicht und es ist feucht geworden wegen nicht dichter Verpackung. Der Schoggiboden des Guetzlis wird plötzlich gräulich. Im Guetzli fände man nicht nur Haare und harte Nussschalen sondern auch Metallspäne, Glas, Messerspitzen und Insekten. Es wäre hergestellt worden von Mitarbeitern, die eben Ferien in einem Risikoland gemacht haben und in der eigenen Kantine gespiesen haben, welche mit Salmonellen verseuchtes Tiramisu serviert hat. Produziert wäre es worden mit Maschinen, die nicht gereinigt und mit Öl ohne grünen Punkt geschmiert worden wären. In der Maschine liessen sich Rückstände von allergenen Stoffen wie z Bsp. Erdnuss, Crevetten, Lupinen, Soja, Milch und Eier finden.

Damit es nie soweit kommt, arbeitet Midor mit der HACCP Risikoanalyse (H > Hazard = Risikofaktor, A > Analysis = Analyse der Risiken, C > Critical = kritisch, entscheidend für die Hygiene, C > Control = Beherrschung des Zustandes, P > Point = Punkt, an dem die Gefahr auftritt).

Für ein bekömmliches Nougat Noisette wird unter anderem folgendes unternommen:
-Damit der Teig nicht zu dunkel gebacken ist, schaut der Linienchef den ersten Backdurchgang genau an und signiert ein entsprechendes Papier. Luftfeuchtigkeit und Luftdruck können den Backgrad verändern.
-Wenn die Guetzlis feucht werden, können Mikroben wachsen. Feuchte Guetzlis können gefährlich sein. Bei guter Verpackung sind sie neun Monate haltbar. Um das zu gewähren sind alubeschichtete Folien produziert worden.
-Damit keine Haare in den Teig geraten, tragen alle Mitarbeiter Netzli auf dem Kopf.
-Damit keine Guetzlis mit Metallspäne von den Produktionsmaschinen drin in den Verkauf geraten, prüfen Metalldetektoren jedes einzelne Päckli. Ein paar pro Tag werden ausgesondert.
-Damit kein Glas ins Produkt gelangt, wurden alle Scheiben am Produktionsort mit einer speziellen Folie splittersicher gemacht. Hochrisikogläser und Plexiglasprodukte werden täglich kontrolliert, ob sie irgendwo beschädigt sind.
-Siebe werden häufig kontrolliert und nicht persönliche Messer (zum Öffnen der Säcke) werden angekettet.
-Alle zwei Wochen kommt der Schädlingsbekämpfer und überprüft die Fallen. Schädlinge wie Mäuse und Insekten (Motten, Käfer, Kakerlaken) haben nichts in den Produktionsräumen zu suchen. Es gibt Fliegengitter. Die Türen sind abgedichtet gegen Mäuse. Wenn zum Beispiel mehr als eine Motte pro Raum gefangen wird, beginnt sie Suche nach undichten Stellen. (Es gab auch schon ein angeliefertes Palett Sesam mit einer Mausfamilie in der Mitte)
-Damit das Risiko "Mitarbeiter" minimiert werden kann, werden sie geschult in Sachen Hygiene. Wenn sie Ferien in einem Risikoland gemacht haben, müssen sie eine Stuhlprobe abgeben.
-Das Personalrestaurant wird überdurchschnittlich häufig überprüft. "
-Um fehlerhafte Einstellungen der Maschinen zu verhindern, müssen Arbeiter täglich ein sechsseitiges Journal ausfüllen und visieren.
-Es dürfen keine gefährlichen Stoffe in der Fabrik gelagert sein. Produkte, welche zugelassen sind, erhalten einen grünen Punkt, denn es gibt auch Maschinenschmierstoffe, die gesundheitlich kein Problem darstellen.
-Die Maschinenlinie wird geputzt für Nachfolgeprodukte. Dies kann aber nicht perfekt gemacht werden. So können allergene Stoffe in ein Produkt geraten. Es braucht die Aufschrift: "kann Spuren von XY enthalten".

In einem Jahr hat Midor von Nougat Noisette 3,5 Millionen Packungen verkauft. Retour kamen lediglich sechs Stück. Das ist eine gute Bilanz. Bei Mark & Spencer gilt zum Beispiel die Regel, dass bei einer Reklamation pro 100´000 Packungen sofort reagiert werden muss (Urs kann wieder gut schlafen!).

So sah die Reklamationsauswertung aus: eine Fremdkörperreklamation (wahrscheinlich Mandelschale, ein fehlendes Bödeli (Diode war unaufmerksam), zwei Personen meldeten, dass die Guetzlis muffig und alt schmecken (Midor benutzt jetzt die alubeschichtete Verpackungsfolie), die Guetzlis einer Packung waren ohne Streusel und bei einer Packung war die Schweissnaht nicht dicht.

Was wäre für Midor der GAU? Hefegärung in Konfi, Salmonellen in Poulet --> wenn der Ruckruf einer Ware gemacht werden müsste. Rückrufe bis zum Konsumenten hatte Midor noch keine, bis zu den Läden aber schon.

Wie sieht es mit der Gefahr der Sabotage aus? Früher konnte jeder mit seinem Wagen kommen, den Schlauch anschliessen und Milch in einen Tank leeren. Diese Anschlüsse sind nicht mehr frei zugänglich. Auch gegen Werkspionage hat man sich gewappnet. Unter 700 Mitarbeiter kann es einen frustrierten geben. Mutwillig könnten ganz schlimme Sachen passieren. Darum setzt Midor auf psychologische Prävention und Teamentwicklung.

Grundsätzlich verwendet Midor die gleiche Methode wie sie bei den AKWs angewendet werden. Das Risiko wird gewichtet nach Häufigkeit und Schaden.

Was hat sich geändert im Verlauf der Zeit? Früher prüften Konsumenten die Produkte mit der Nase, der Produzent versuchte mit Konservierungsverfahren Produkte länger haltbar zu machen. Pantschfälle (Alkohol) mit tödlichem Ausgang führten zur Forderung nach einer umfassenderen Qualitätssicherung. Hinzu kommt, dass heute das Thema Konsumenten-schutz bei den Medien einen viel grösseren Stellenwert besitzt.

Midor beschäftigt ein Team von 15 Leuten (Chemiker, Drogisten, Biologen, Confisseure, Laboranten, etc.) in der Qualitätssicherung. Sie prüfen die Reklamationen, suchen die Gründe und unternehmen Gegenmassnahmen. Die Qualitätssicherung ist gegenläufig zur Effizienzsteigerung. Hier gibt es die grossen Diskussionen, wenn gespart werden muss.

Den Abend beschlossen wir mit einer Schokoladendegustation. Das Protokoll möchten wir beschliessen mit einer Frage nach der Verhältnismässigkeit. Gibt es denn keine Schere zwischen Ländern, die sich solche Standards leisten können und anderen, die sich diese nicht leisten können? Wenn wir jetzt in Europa noch gesunder werden, werden wir nicht nur noch gesundheitlich anfälliger bei Besuchen so genannter "Risikoländer"?

Wer die Protokolle per E-Mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken > alilum@bluewin.ch. Und wer die Protokolle überhaupt nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen. Liebe Grüsse Judith
und Adi.


Nächstes Treffen: Montag, 27. September 04, um 19 Uhr, Herdschwandstr. 7, Emmenbrücke: Überlebensmittel?

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