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SALON HERDSCHWAND

Über Mittel und Wege - Lebensmittel zur Diskussion gestellt

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Am 12. Mai zum Thema "Filz oder Netzwerk" waren hier: Pascale Grau, Kathrin Borer, Judith Huber und Adi Blum (Protokoll). Zum Essen gab es Spaghetti.

Die Künstlerin Pascale Grau legte uns ihr Netzwerk offen. Geboren ist sie 1960 in St. Gallen. 1986-92 studierte sie an der HfBK in Hamburg. 1992-94 machte sie ein Aufbaustudium und Assistenz bei der Performerin Marina Abramovic, arbeitet selber in den Bereichen Performance, Installation und Video. Sie hatte verschiedene Lehraufträge, unter anderem bei der F+F Zürich, der Farbmühle Luzern, SfG Bern und SfG Basel. Sie erhielt Werkbeiträge der Stadt und des Kantons Bern, 1997 das Corti-Aeschlimann-Förderstipendium und 1997 das BINZ39-Stipendium. Wie ihr "Vorwärtsgehen" zu Stande kommt, und wie wichtig dabei das Netzwerk ist, erörterte sie uns im ersten Teil des Abends. Im zweiten Teil diskutierten wir das Netzwerken als Überlebensstrategie, ganz im Sinne des zehnten Punktes des "ersten Manifests grosser und angesehener Künstlerinnen" (siehe oben und auch Anhang I).

Pascale ging immer vorwärts in weitere Netzwerke. Wichtig war ihr die Zeit in Bern, wo sie sechs Jahre lebte und arbeitete. Diese Berner Beziehungen wirken bis heute. Die Hamburger Zeit eröffnete ihr das Netz der Hochschule. Freundschaften mit Mitstudentinnen bestehen auch noch heute. Durch die Zusammenarbeit mit Marina Abramovic tat sich ein weiteres Netzwerk auf. Es gab Einladungen, sie lud ihr studentisches Umfeld ein, zum Beispiel, nach Dublin. Nicht zu unterschätzen ist der Faktor, dass sie Pascale den Mut gab, sich in der Schweiz für den Bereich Performance zu bewerben.

Um zu überleben sind Beziehungen wichtig. Dies war so bei den Bewerbungen an der F&F, aber auch bei ihrer persönlichen Arbeit. Pascale schaut auf einige langjährige Freundschaften und Partnerschaften zurück. Als sie zurück in die Schweiz kam, lebte sie erst in Biel und zog dann weiter nach Olten. Bern, Basel, Luzern und Zürich waren ihre Arbeitsorte. Daher hat sie in all diesen Städten ihre Bezugspersonen. Das Schicksal führte sie schlussendlich nach Basel, wo sie unter anderem für den Kaskadenkondensator arbeitet, welcher selber ein Netzwerkprojekt ist. Einladung und Gegeneinladung führten zum Beispiel bei einem Projekt mit Spanien zu weiteren Verbindungen.

Pascales Netz hat sich über die Jahre ergeben und die Bekanntschaften sind nicht mit der Absicht, Connections zu machen, entstanden. Anders sieht das aus bei geplanten Netzwerkprojekten, wie es etwa das "erste Manifest grosser und angesehener Künstlerinnen" war. Es war als Netzwerk geplant. Die Initiantinnen machten Salons. Alle Punkte des Manifestes wurden in Anlässe gegossen. Man hat sich bei Bekannten als Köchin angeboten. Der Bekannte lud dafür sein Netzwerk ein. Es wurde mit Kuratorinnen, Kritikerinnen und Künstlerfreundinnen das Manifest diskutiert. Für Pascale war diese Projekt rückblickend eher kontraproduktiv. Klar gaben einzelne Treffen der einen oder der anderen Mut zu Kontaktaufnahmen. Heute aber sind die Initiantinnen aus verschiedensten Gründen eher ihre Konkurrentinnen. Funktionierend Netzwerke sind also nur bedingt planbar.

Ein Netzwerk ist unsicher. Die Kräfte, die wirken, sind weitgehend uneinschätzbar. Zu diesen Kräften gehören auf langer Freundschaft beruhende Verbindungen, Vertrauen, wohlwollendes gegenseitiges Wirken. Wäre es sicher, wäre es ein Filz. Filz ist ungesund, macht zu, ist eng. Alles ist so verhängt, so dass nichts nach aussen dringt. Ein Netzwerk hingegen macht auf, ist offen.

Diskussion
Adi meinte, dass Transparenz ein wichtiges Kriterium sei, aber auch die Chancengleichheit. Verfilzt sei eine Gruppe, wenn sie so voneinander abhängig sind, dass sie sich gegenseitig unterstützen müssen. Kathrin verwies auf Studentenverbindungen, Zünfte und Seilschaften. Sie meinte, die Grenzen zwischen Netzwerk und Filz seien sehr unscharf zu ziehen. Judith resümierte: Filz ist das Netzwerk der anderen.

Pascale: Wenn Leute zusammenarbeiten, entsteht automatisch ein Netz. Man kann auch über die "strammen Waden" reden. Das sind aktive Netzwerke. Die "Strammen Waden" sind eine von Frauen geschaffene Seilschaft, von Akademikerinnen gegründet. Sie wollen sich nach Tat und Kraft gegenseitig unterstützen, sich einladen und informieren. Monatlich gehen (oder gingen) sie kegeln. Mitglied wird man nach einem Patinnenprinzip. Jemand muss für ein Neumitglied bürgen. Aber auch solche Netzwerke sind nicht sicher. Gestartet wurde dieses Projekt 1995. Es ist nun konsolidiert. Eine Weile lang war das für gewisse Frauen sicher interessant.

Kathrin verwies auf die Alliance F (siehe auch Anhang II oder hier).

Adi fragte Pascale, ob sie ein bewusstes social engineering machen würde, d.h. bewusst, wichtige Kontakte knüpfen und Leute kennen lernen, die Schlüsselpositionen einnehmen? Das findet sie schrecklich. Sie macht das selten. Als gemeinsamer Vorsatz ist es spannend. Es gibt ein positives Lobbying. Ein gewisses Mass ist gesund. Es gibt auch Absprachen unter Künstlerinnen. Wenn du nicht kannst, dann gehe ich. Das ist toll. Seilschaften aufzubauen, wo sie fehlen, macht Sinn. Die Kunst wird immer noch von Männern dominiert, da sie zielgerichteter Beziehungen pflegen. Darum müssen Frauen Seilschaften machen. Ein Privatlobbying von Einzelfiguren für den eigenen Vorteil ist abstossend. Da wird das Berechnende zur Schweinerei. Leider ist auch die Kunst voll von solchen Einzelfiguren.

Auch Kathrin meldete Unlust an, anderen die Schuhe zu putzen. Judith meinte, dass aber noch zu häufig von Künstlerinnen das Gegenüber nicht partnerschaftlich eingeschätzt werde. Eigenes Unterordnen sei häufig programmiert. Ein Galerist, ein Kurator etc. seien aber auf gleicher Augenhöhe. Man sei gegenseitig auf einander angewiesen.

Was sind denn legitime Strategien, wollte Adi wissen. Wo wird es moralisch unsauber? Ist es verwerflich, wenn man dafür sorgt, dass das Geld im eigenen Umfeld bleibt, zum eigenen Vorteil handelt. Nur wenn ich jemanden kenne, kann ich beurteilen, wie er oder sie arbeitet. Nur dann kann ich ihn mit gutem Gewissen empfehlen oder ihm etwas "zuschanzen". Das kann ja auch jemand aus der "Familie" sein.

Dass Filz auch etwas Positives sein kann, davon liessen sich die anderen nicht überzeugen.

Wer die Protokolle per E-Mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken > alilum@bluewin.ch. Und wer die Protokolle überhaupt nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen. Liebe Grüsse Adi
und Judith.


Nächstes Treffen: Donnerstag, 24. Juni 04, um 19 Uhr, Herdschwandstr. 7, Emmenbrücke: Ein hygienisches Zuchthaus.

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Tel.: +41 41 440 56 09