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SALON HERDSCHWAND

Über Mittel und Wege - Lebensmittel zur Diskussion gestellt

Die "natürliche" Auslese. Pro Specie Rara.

Am 13. April zum Thema "Die natürliche Auslese" waren hier: Peter Vittali, Daniel Kasztura, Kathrin Borer, Claudia Niederberger, Adrian Borgula, Judith Huber (Protokoll), Johannes Krempel und Adi Blum. Zum Essen gab es Apfelwähe. Unser Special Guest, Béla Bartha von Pro Specie Rara, war am folgenden Tag auf dem Telefonbeantworter: Er habe den Abend schlicht vergessen. Er entschuldige sich. Wir überlegten uns, ob er sich wohl aus Imagegründen zur raren Spezie gemacht habe…

In Folge druckte Adi am Abend Informationen von der Homepage der Stiftung aus und gab anhand dieser einen Überblick über Pro Specie Rara.

Pro Specie Rara
Pro Specie Rara ist eine schweizerische Stiftung mit Sitz in St. Gallen. Sie wurde 1982 gegründet, um gefährdete Nutztierrassen und Kulturpflanzen vor dem Aussterben zu bewahren. Rätisches Grauvieh, Wollschwein, Rote Gartenmelde, Goldmöstler und viele andere beleben seither wieder Felder, Höfe und Wiesen der Schweiz.

Als Folge der Artenschutzkonvention von Rio 1992 unterschrieb der Bund das Artenschutzabkommen von Leipzig. Damit verpflichtete sich die Schweiz, sämtliche Ressourcen bei Tieren und Pflanzen zu erhalten. Ein globaler Aktionsplan beschreibt, wie dieser Schutz zu erfolgen hat. In diese Erhaltungsarbeit sind auch die - teilweise vom Bund unterstützten - Tätigkeiten der Stiftung Pro Specie Rara eingebettet.

Tierzuchtgruppen, Obstbäume, Gemüse werden heute von gut 2000 Privatpersonen und Institutionen betreut und gezüchtet. Ihnen und einer ganzen Anzahl von Spenderinnen und Spendern ist zu verdanken, dass die Vielfalt weiter besteht.

Partnerschaft mit Coop
1999 haben sich Pro Specie Rara und Coop zu einer Zusammenarbeit entschlossen und diese mit einem Partnerschaftsvertrag geregelt. Eine erste Testphase dieser Kooperation gipfelte in dem gemeinsamen Expo.02-Auftritt "Manna". Hier durfte Pro Specie Rara mit einer Apfelausstellung, "Vivavaria" (365 Apfelimitate), Gemüsebepflanzungen und vier Sortenausstellungen präsent sein. Nach diesem überaus erfolgreichen Start wurde der Partnerschaftsvertrag für weitere vier Jahre bis 2006 verlängert. Pro Specie Rara führt seit vier Jahren im Auftrag von Coop diverse Tests durch, Evaluationen mit dem Ziel, in den verschiedenen Coop-Filialen Pro-Specie-Rara-Produkte anzubieten. Bis heute wurden über 300 Sorten angebaut, beschrieben und verkostet.

Aktuell
Zurzeit finden Sie unter dem Slogan "Alte Sorten neu entdeckt" in den Coop Bau- und Hobby-Märkten Saatgut von 11 Pro-Specie-Rara-Sorten: Haferwurzel; Karotten: Jaune longue du Doubs, Küttiger Rüebli; Tomaten: Baselbieter Röteli, Green Zebra, Gezahnte Tomate; Zucchetti verte des Maraîchers; Wurzelpetersilie; Stangenbohnen: Gelbe Posthörnchen, grünes Posthörnchen. In den Coop-Filialen werden, ebenfalls unter dem PSR-Gütesiegel, verschiedene Gemüsesorten saisonal angeboten: Rote Gartenmelde (Mai/Mitte Juni), blaue Kartoffel (ab Oktober), Tomaten (siehe oben) ab Juli, Karotten (siehe oben) ab Oktober, Petersilienwurzel (ab Oktober). Daneben werden Emmerbier, Emmerspätzle und Emmerbrot verkauft.

Die Diskussion
Adrian Borgula, von Haus aus Biologe, führte aus. Die Leitidee der Stiftung ist die Erhaltung der Vielfalt, die Erhaltung der Natur. Kulturelle Vielfalt der lokal angepassten Rassen oder Sorten stehen im Vordergrund, Rassen oder Sorten, die die lokale Bevölkerung traditionellerweise weitergezüchtet hat. Diese waren sehr an die lokalen Gegebenheiten angepasst. Man hat lokal die besten genommen, gezüchtet und weitergekreuzt. Saatgut hat man selber produziert, Äpfel selber gepfropft.

Grosse Diversität hat sich entwickelt, bis in der ersten Hälfte des 20sten Jahrhundert die Wende kam. Lokale Strukturen zerbrachen, Transportmöglichkeiten nahmen zu. Saatgut wurde nicht mehr selber gemacht, sondern global vertrieben. Saatgut wurde chemisch weiterentwickelt. Es fand eine schnelle, gewaltige Erosion der lokalen Sorten statt. Bei der Tierzucht geht das sehr schnell. Obstbäume leben bis zu 150 Jahre, dadurch verlangsamt sich der Prozess. Bei den Tieren wurden die einen Rassen sehr schnell wegrationalisiert und durch produktivere Rassen ersetzt. Durch die künstliche Besamung wurde die Vereinheitlichung schnell vorangetrieben.

Pro Specie Rara hat dort angesetzt: Der erste Schritt war, sichern, was noch vorhanden ist. Saatgut aufbewahren. Samen können gut aufbewahrt werden, Tiere müssen gezüchtet werden. In den Alpen wurden Rassen bevorzugt, welche überleben konnten, wo Fleischzuchtrassen mit dem Klima nicht zu Schlage kamen. Oder man holte in den Karpaten Rassen, die unseren ursprünglichen ähnlich waren. Mit den hiesigen Bauern versuchte man Verträge zu machen, damit sie ihre Bäume wieder pfropfen. Seltenes Getreide wurde wieder angesät, vor allem für die Saatgutbank. Eine weitere Strategie ist, Tiere in der Landschaftspflege einzusetzen. Wie zum Beispiel die schottischen Hochlandrinder, die in sumpfigen Gebieten eingesetzt werden. Statt mit Maschinen Schilf zu mähen, können dazu die Hochlandrinder eingesetzt werden. So wird die Vegetation zurückbehalten. Das Verbuschen, Verwalden und Verlanden wird so vermieden. Hochleistungskühe würden ziemlich schnell schlapp machen im Schilf, weil ihnen die proteinreiche Nahrung fehlt.

Zucht-Truthähne sind 40 Tage nach ihrer Geburt so schwer, dass sie nicht mehr stehen können.

Pro Specie Rara macht auch Verträge mit Leuten, die kleinere Gärten haben. Getreide wird angesät und ein Teil Saatgut wird wieder an Pro Specie Rara zurückgeschickt. Das Material wird ihnen gratis zur Verfügung gestellt.

Vielfalt
Vielfalt wird auch hochstilisiert, konterte Johannes. Es macht einen Unterschied, ob man Vielfalt über Jahrzehnte hinweg betrachtet oder als Querschnitt, jetzt. Früher waren die Leute eingebunden. Heute haben wir mit unserem Geschichtsbewusstsein ein seltsames Verhältnis zur Vielfalt. Eine rein museale Vielfalt kann man eigentlich nicht aufrechterhalten.

Er wuchs in den Karpaten auf und erlebte, wie die Strukturen funktionierten. Es ging nicht um Intensivbewirtschaftung. Jeder hatte ein paar Tiere, jeder Hof seinen eigenen kleinen Kreislauf. Das sei definitiv passé. Es gäbe noch ein paar Leute, die diese Form von Bewirtschaftung neu versuchen würden. Er erzählte von einem Freund seines Bruders, der geduldet von den Behörden, im Tessin Wollschweine halte. Er lebt im Wohnwagen, sehr einfach. Vielfalt hat mit Lebensstil zu tun. Vielfalt ist mit unseren Rhythmen gar nicht mehr zu leben.

10 Liter Milch pro Kuh war in den Karpaten schon viel

Adrian bestätigte. Der Wunsch, etwas zu erhalten, hat etwas Aufgesetztes und wirkt sehr konservativ. Aber man dürfe nicht vergessen: was weg ist, ist weg. In der Tierzucht ist Verschwundenes nicht mehr zu rekonstruieren. Darum findet er Projekte, die zum Beispiel mit der Landschaftspflege verknüpft sind spannend, da sie wieder eine eigene Dynamik bekommen und zumindest ein gesellschaftliches Produkt sind.

Man nimmt an, dass zum Beispiel Heuschrecken um den Faktor 100 abgenommen haben

Wenn man von der Biologie her denkt, ist ein vielfältiges System in der Regel stabiler. Vielfalt war gekoppelt mit der Lebensweise. Jetzt ist sie fern von der Realität. In der Regel sind die modernen Sorten produktiver. Es gibt angepasste Sorten, die entsprechende Mengen hinkriegen würden. Aber weil das Neue einen Reiz hat und moderner ist, züchten die Bauern die angepassten Sorten gar nicht mehr weiter. Sie sehen sich gezwungen, Neues zu wollen. Zudem ist der Aufwand viel grösser, Saatgut selber zu produzieren, als zu kaufen.

In Emmenbrücke gab's Wollschweine
An anderen Orten gab's Quartiersauen


Was wollen die KonsumentInnen eigentlich?
Die Diskussion nahm ihren Lauf. Es wurde bemerkt, dass es zum Beispiel immer noch so ist, dass weisses Kalbsfleisch häufiger gekauft wird. Es gehört zum guten Ton. Weisses Fleisch ist jedoch nur weiss, weil die Kälber kein Gras fressen dürfen, sondern nur Milch zu trinken bekommen. Völlig unnatürlich..

Ökobilanz
Die Art zu leben hängt zusammen mit der Esskultur. Wieviel Zeit widme ich dem Essen. Wichtig wäre zu wissen, über welche Distanzen die Nahrungsmittel transportiert werden müssen. Eine Ökobilanz wäre wichtig. Bei jedem Produkt bräuchte es eine Ökobilanz. Transport ist ein Schlüsselfaktor.

Die Hälfte unserer Strassenrandsteine im Kanton Luzern stammen aus Vietnam. Unsere Berge sind aus Granit, und trotzdem ist es zu teuer, sie bei uns abbauen.

Erklärung zu Ökobilanz
Es ist eine Energiebilanz. Alles wird eingerechnet. Wieviel Energie steckst du rein und wieviel kommt wieder raus. Produktion, Geräte, Graue Energie, Maschinen.. Hohe Erdölpreise würden den Transport weniger attraktiv machen. Ökonomisch würde sich das nicht mehr rechnen.

Monokulturen
Tomaten kommen aus Spanien. Es gibt da 70 km lange Plantagen, von Sans-Papiers bewirtschaftet. Bei Olivenplantagen zeichnet sich dasselbe Bild. Dass Monokultur auf die Dauer nichts bringt, ist Allgemeingut. Für Schädlinge sind Monokulturen ein Paradies. Kleinere Kreisläufe wären wichtig. Für den Boden wäre es ausgewogener, Mischkultur zu machen. Dies ist aber zu teuer. Arbeitskräfte werden wegrationalisiert. Das ist bei uns in der Schweiz wie auch bei der EU ein Problem.

Gentech
Claudia fragte nach. Was wäre zu erwidern, wenn ein Gentech-Befürworter sagt: "Es werde doch seit jeher gezüchtet. Gentech mache nichts, was nicht schon immer gemacht worden sei." Was ist der Unterschied zwischen Gentech im Landwirtschaftsbereich und der herkömmlichen Züchtung? Adrian: Bei Gentech kann du Genmaterial zusammenmischen. Auf natürlichem Weg kannst du immer nur innerhalb einer Art kreuzen. Du kannst auch mit reiner Auswahl absurde Sachen machen, aber du kannst nie die Artengrenze überschreiten. Mit der Gentechnologie macht man Riesensprünge. Es entstehen Kombinationen, die auf natürliche Weise nie zustande kämen. - Ziel des Gentechs ist, artfremde Gene zu implantieren, nicht zu züchten. Zum Beispiel kann eine Sequenz implantiert werden, die bewirkt, dass der Maiszünsler (Maisschädling), den Mais nicht mehr goutiert. Diese Sequenz holt die Gentechnologie aber nicht beim Mais - dann könnte man züchten - diese Sequenz holt sie in der Regel bei Bakterien. Risiken? Wenn bei Gentech ein Unfall passiert, kann das verheerende Folgen haben.

Biodiversitäts-Supergau
Adi kann sich den gentechnischen Supergau vorstellen, fragte aber auch nach einem Biodiversitäts-Supergau? Was wäre das? Adrian: Von 30 Mio. Arten könnte man auf 20 Mio. runterfahren und vermutlich könnten die Menschen überleben. Vermutlich ginge es auch ohne die eine oder andere Tomatenart. Aber irgendwann kommt man an eine Grenze der Stabilität. Verschiedene Faktoren können sich gegeneinander aufschaukeln und sich nicht mehr neutralisieren. Wenn man die Biodiversität reduziert, verliert man Geschichte und Informationen. Unter gewissen Lebensbedingungen können die einen überleben, die anderen nicht. Wenn Biodiversität verloren geht, steigt das Risiko von unkontrollierbaren Ausschlägen im Ökosystem. Auch der Verlust an Heilpflanzen ist zu berücksichtigen.

Nützlichkeitsgedanke
War nicht der Nützlichkeitsgedanke immer im Vordergrund bei der Biodiversität? Adrian würde es trennen. Innerhalb einer Art gibt es verschieden Ökotypen, zum Beispiel die Berg-Eidechse. Das macht die Biodiversität aus. Biodiversität ist nicht zu diskutieren unter dem Aspekt der Kulturtiere oder Kulturpflanzen. Biodiversität ist das natürliche Fundament.

Wer die Protokolle per E-Mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken > alilum@bluewin.ch. Und wer die Protokolle überhaupt nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen. Liebe Grüsse Adi
und Judith.


Nächstes Treffen: Mittwoch, 12. Mai 04, um 19 Uhr, Herdschwandstr. 7, Emmenbrücke: Filz und Netzwerk.

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