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Nachtessen am Gartenweg: Utopia Rossi

Utopia entstand in der Antifa-Zeit (1996), so Boris. Das Blatt war anfänglich ein internes Infopapier, wuchs aber schnell heran zu einer monatlich erscheinenden Zeitung. Der erste Teil behandelte Luzerner Themen, der zweite theoretische und utopische. Es gab immer einen starker Personenwechsel. Über fünf Jahre haben fünfzig Leute für Utopia geschrieben. Finanziell stand die Zeitung immer schlecht da. Die Redaktion musste alles machen: schreiben, layouten, produzieren und verkaufen. Man arbeitete nonstop. Gedruckt wurde sie anfänglich bei der Reitschule in Bern, dann später beim Gegendruck. Erst kostete sie einen Franken, dann zwei. Im letzten Jahr vor der Auflösung erschien sie dann nur noch zweimonatlich. Die letzte im Mai 00 umfasste aber ganze 32 Seiten und erreichte 1000 Stück Auflage. Eigentlich war sie erfolgreich: Gewisse Themen, wie zum Beispiel die Rotkreuz-Geschichte (Zwischenfirmen bei wohltätigen Vereinen zocken massiv Gelder ab), wurden sogar von der Sonntagszeitung und dem Sonntagsblick übernommen. Dann kam dennoch der ultimative Entscheid: man hörte auf. Es soll irgendwann ein Folgeprojekt lanciert werden.
Der Titel Utopia suggeriert ein Blick nach vorne. Zu der Zeit, als man den Namen suchte, wurde das Ende der Geschichte postuliert. Man meinte, es sei vorbei mit Veränderungen. Utopia wollte zeigen, dass die Suche nach verbesserten Formen nie vorbei ist. 1996, als die Antifa-Gruppierung sich auflöste, schlossen sich die Verbleibenden zu Utopia zusammen. Es gab auch einige losen Gruppierungen. Nach Auflösung von Utopia ist mit Phase 1 nun wieder eine politisch aktive Organisation gegründet worden.
Der Kern ist der selbe wie bei der Antifa und bei Utopia. Nur früher gab es fast keine Leute über 25, die sich engagierten. Phase 1 hat nun eine bessere Durchmischung. Auch diskutiert man jetzt inhaltlicher. Die fünfzig Leute, die sich bei der Antifa trafen, kamen aus der JCVP, der Jungen Grünen. Antifaschismus war der einzige Inhalt. Dies erschwerte die Diskussionen. Nach dem Abbruch des Projektes Utopia verfasste Boris ein Gründungspapier, welches breit diskutiert wurde. Seither traf sich Phase 1 über ein Jahr lang alle zwei Wochen, um inhaltlich zu diskutieren, einen Konsens zu finden und die stabile Grundlagen für eine längerfristige Organisation zu erarbeiten.
Das langfristiges Ziel von Phase 1 heisst Gesellschaftsveränderung, das kurzfristige: Themen besetzen. Einen Konsens zu finden ist nicht einfach, sind doch die Weltbilder der 15 an Phase 1 Beteiligten sehr verschieden: marxistisch, trotzkistisch und anarchistisch. Es gibt eigentlich alles. Boris und Eugen betonen ihrerseits den anarchistischen Bereich. Es geht ihnen darum, ein System ohne Herrschaft funktionieren zu lassen, also schlussendlich darum, den Staat abzuschaffen. In den linken Ansätzen greift aber der demokratische Gedanken oft zu wenig weit, sagte Boris. Die kommunistische Utopie zum Beispiel gibt zu viele Aufgaben an den Staat ab. Sie ist ein Konzept des letzten Jahrhunderts, als man noch diskutierte, ob das Volk zur Herrschaft mündig genug sei, und was dann zu einer proletarischen Diktatur geführt habe. Phase 1 fordert direkte Demokratie in Politik UND Wirtschaft.
Eugen und Boris waren beiden in Prag. Ziel: einen gemeinsamen Widerstand gegen den überholten plutokratischen Gesellschaftsentwurf zu formieren. Es sterben heute mehr Leute an Hunger oder Armut als im zweiten Weltkrieg, so Eugen. Die Politik ist der Wirtschaft untergeordnet. Die globale Wirtschaft kann bestimmen, was Politik ist. Immer noch herrscht die Macht des Stärkeren und eine kapitalistische, weisse Herrenrasse. Alles ist zwar subtiler geworden, spielt aber noch wie früher. Eugen nannte das Beispiel Afrika, wo Armut und Aids ständig zunehmen, wogegen aber nichts unternommen wird, weil es sich finanziell nicht lohnt. Kein Cent wird dorthin geschickt. Deshalb sind die Medikamente einfach zu teuer. Afrika ist der verlorene Kontinent. Seit 1960 hat sich der Wohlstand halbiert. Afrika ist wieder eine reine Ausbeutungszone geworden.
In der Politik ist es nicht viel anders. Wer mehr Geld hat, bestimmt. Amerikanischer Präsident werden heisst, 3 Milliarden Dollars haben. Man darf nicht einfach den Kapitalismus wählen, weil er ein bisschen humaner ist als der Faschismus - zudem, die Systeme ergänzen sich. Der Faschismus hat gewisse kapitalistische Strömungen gefördert. Faschismus heisst Führerschaft. Die globale Wirtschaft heute wird auch von Wirtschaftsführern und nicht von der Basis getragen. Dass der real existierender Sozialismus nicht mehr existiert, ist sehr positiv. Es ist gut, dass er gescheitert ist, da nun Platz für etwas Neues da ist. Ohne französische Revolution wären wir nirgends. Unter den französischen Königen starben zudem mehr Menschen durch Repression als während der gesamten Revolution.
Wie sähe eine Wunschliste der Phase 1 aus? Was sollte sich ändern?
  • Das Privateigentum gehört abgeschafft. Eigentum ist Diebstahl. Ersetzen durch ein Kleinzellenprinzip.
  • Die Gesellschaft soll basisdemokratisch und föderalistisch organisiert sein.
  • Jeder muss leben und arbeiten können, wie er will. Es muss Wohn- und Arbeitsmodelle geben, die auf Autonomie beruhen.
  • Wünschenswert: permanente Revolution, permanentes Provisorium.
  • 80% der industriellen Produktion ist unnütz. Völlig verminderter Konsum wäre auch wünschenswert: wir hätten alle mehr Zeit.
Der Mensch ist bei Geburt ein unbeschriebenes Blatt. Gewisse Seiten kann man fördern. In einer Zeit, in der der Egoismus dominiert, kann zum Beispiel der Solidaritätsgedanken gefördert werden. Ziel ist die internationale. Solidarität aller Menschen. Das Private ist politisch, die Familie nicht Keimzelle des Staates. Es braucht die radikalen Ansätze, um einen Bruch herbeizuführen. Das kann durch keinen Reformismus herbeigeführt werden.
Boa Nova. Was wäre eine ideale Theaterproduktion gemäss dem neuen Boa-Konzept? Der gesellschaftskritische Ansatz ist Eugen wichtig. Er würde die von einem Ensemble getragenen Produktionen bevorzugen, aber die Qualität spiele natürlich auch eine Rolle. Boris betonte seinen liberalen Ansatz: Grösstmögliche Freiheit für die Kunstschaffenden ist notwendig. Er ist offen für alles, was auf ihn zu kommt.

Wer die Protokolle per E-Mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken > alilum@bluewin.ch. Und wer die Protokolle überhaupt nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen. Liebe Grüsse Adi

Nächstes Treffen: Freitag, 19. Januar 01, um 19 Uhr: feministische Utopien.

Eingeladen sind Manou Sacherer und Christine Weber - beide sind an der FRESA und öffnen den Fächer feministischer Alternativen.
Beim Nachtessen mit Boris und Eugen waren dabei: Adi Blum, Hansruedi Hitz, Daniela Bühler und Judith Huber. Zum Essen gab es einen roten Fitnessteller.

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Tel.: 0041 41 - 440 56 09