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Salon am Gartenwegi

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NAGA

Nachtessen am Gartenweg: p.m.


p.m. sieht sich nicht als Utopist. bolo` bolo damals war von ihm als eine Wunschliste gedacht. Die Bewegung der 80er Jahre war auch eine zynische Bewegung, eine Abrechnung mit allem. Alles sollte wieder auf den Prüfstand getan und neu hinterfragt werden. Was will man noch? Was bleibt dann übrig? Was übrig bleibt, sind die Wünsche. Gut essen. Zack. Das gab dann ein erstes Kapitel bolo`bolo. Lustig haben mit den Leuten. Wie macht man das? Das nächste Kapitel. bolo`bolo ist als Liste entstanden. Denn das Wort Wunsch ist viel spannender als das Wort Utopie. Utopie hat immer etwas Systematisches an sich. Utopien sind meist rationalisierte Wünsche und es fehlt ihnen meist an Ironie. Wünsche gibt es wirklich.
Die Utopie begann damals, als die englischen Imperialisten ihre Schiffe in die Welt schickten mit der Hoffnung, sie kämen wieder heil zurück. Die Utopie ist ein Investionshorizont. Du setzst 50 Pfund auf ein Schiff. Wenn das Schiff zurückkommt, bekommst du deinen Anteil zurück und wenn das Schiff nicht zurückkommt, hast du alles verloren. Das ist die Utopie. Mit den Shareholdern hat das englische Weltreich begonnen. Nur insofern gibt es die Zukunft: in Form einer Frage. Return on Investment. Kommt etwas zurück von der Investition? Das ist durchaus auch politisch zu betrachten. Denn eigentlich gibt es nur die Vergangenheit. Sie ist das einzig reale. Wenn man etwas zur Gegenwart erklärt, ist es schon vergangen. Es gibt nur verschiedene Formen von Vergangenheiten. Die Sonne, zum Beispiel, ist schon 8 Minuten vergangen, wenn man sie sieht. Das Licht der Gegenwart ist die Vergangenheit.
Die utopische Phase ist 1820-1860. Einer der komischsten Utopisten ist Wilhelm Weitling, der einzige "Schweizer" in diesem Kontext.


Weitling was born in Magdeburg, in 1808, the illegitimate son of a French officer and a German serving girl. A tailor by trade, he spent his early yerars wandering through France and Germany as an itinerant artisan. He agitated for socialism among German workers in Paris during the later 1830's, and among German artisans and students in Switzerland during the early 1840's. In 1843, the Swiss government arrested and imprisoned him because of his political activities. His sentence was only a few months, but he was banished from Switzerland, and he became more or less politically inactive. He wandered through Germany and then migrated to England, where he was given a hero's reception by the emigre German Socialists there.(1) Weitling's socialist thought was laid down in three works, Die Menscheit, wie sie ist und sein soll, a small pamphlet written in France during the 1830's, Garantien der Harmonie und Freiheit, a book length expansion of the pamphlet's ideas, and Das Evangelium eines armen Sunders.(2) The first two works expressed Weitling's theory of and plan for socialism. The third combined his political and economic beliefs with his political philosophy.

Mit Weltgeist Superstar, seinem ersten Buch, hat er versucht, all die verschiedenen Strömungen der Linken der 70er Jahre zu bündeln: da waren die Maoisten gegen die Autonomen, die Autonomen gegen die Anarchisten und die Anarchisten gegen die Maoisten. Immer hat man sich nur mit sich selber befasst - wenn man zusammenarbeiten würde wäre man viel stärker. Im Weltgeistbuch versuchte er einen gemeinsamen Nenner zu finden. Warum sind Leute, die es gut meinen, so schwach? Er wollte den Reichtum des linken Denkens aufzeigen. Wenn man zeigen könnte, was gutes Leben ist, dann müsste die Mehrheit das gut finden. Vielleicht gibt es eine Urschrift in der Vergangenheit, vielleicht eine gemeinsame Sprache?
Ich las als Kind im Kapital: "Die Welt stellt sich dar als eine Welt von Waren." Bitte, was ist das für ein Empfang für ein Kind auf diesem Planeten? Die Welt macht immer weiter Kapitalismus, ohne dass jemand gefragt wird. Ich fühlte mich ganz persönlich beleidigt. Meine ursprüngliche, naive Enttäuschung und Verwunderung habe ich beibehalten. In gewissen Situationen hol ich die kindliche Betrachtungsweise auch heute noch hervor. Kinder sehen mehr als Erwachsene.
bolo`bolo ist im vorderen Teil in einem Manifeststil gehalten, der zugegebenermassen ermüdend sein kann. Aber im Anhang ist das quasi Kleingedruckte. Jede Idee hat ja ihre Probleme und die Probleme sind oft viel anregender. Der Manifeststil zwingt dir das Antworten auf. Aber jetzt, wo alles beantwortet ist - kommen wir aber noch zu den offenen Fragen.


'Bolo'Bolo' is a visionary booklet (published by Paranoia City Verlag, Zurich) The main questions it addresses are as follows:
-'How would I really like to live?'
-'In what kind of society (or non-society) would I feel most comfortable?'
- 'What do I really want to do with myself?'
- 'Regardless of their practicality, what are my true wishes and desires?' - 'And let's try to picture all this not in a remote future (reformists always like to talk about the 'next generation') but in our own lifetimes, while we're still in pretty good shape, let's say within the next five years...'

Es ist immer der Ernstfall. Dass er das Einrichten eines 5-Jahresplan vorschlägt, hat einen technischen, pragmatischen Grund, zum Beispiel der Plan Wahlen im zweiten Weltkrieg: Die Umstellung der Schweiz auf Selbstversorgung dauert 5 Jahre. (Solche Pläne liegen aufdatiert in Schubladen in Bern. Ich habe mir die kommen lassen. Die Schweiz ist für jeden Fall vorbereitet...) Die landwirtschaftliche Umstellung auf Selbstversorgung geht nicht von heute auf morgen. Der Boden ist träge. Dort wo die Natur ins Spiel kommt, brauchen die Prozesse Zeit. Wenn man das von heute auf morgen machen wollte, müsste man ja die Hälfte allen Viehs schlachten.
Das Wohnprojekt Kraftwerk 1 gäbe es so nicht ohne p.m.. Er und Andreas Hofer sagten 1993, so jetzt ist es Schluss. Alle unsere Diskussionen, die wir geführt haben, waren hoch spannend, aber jetzt machen wir mal was. Andreas versteht etwas von Architektur und kann gut rechnen und ich erzähle gute Geschichten. Sie haben dann ein Verein gegründet und p.m. war Kassierer. Mit ihrer Idee (wie kann ein bolo real gebaut werden?) haben sie bei den Managern des Escher-Wyss Areals offene Türen eingerannt. In 5 Jahren Gespräch hat sich natürlich alles verändert. Was es schlussendlich sein wird, kann p.m. nicht sagen. Soviel ist klar: Im Sommer 01 ziehen 300 Leute ein.
Was ist so speziell an Kraftwerk? Die Küchenplättchen sind sehr schön, meint p.m. ironisch, den Rest kann man ja im Internet nachschlagen (www.kraftwerk1.ch):


KraftWerk1 im äusseren Kreis 5 in Zürich bietet etwa 350 Menschen Wohn- und 150 Menschen Arbeitsraum. KraftWerk1 will ein ökologisches Vorbild sein und eine Siedlung, in der Solidarität kein leeres Schlagwort bleibt. Ihre raffinierte Architektur ermöglicht verschiedenste Wohnformen und grösstmöglichste Flexibilität auch nach der Erstellung. Und das alles zu bezahlbaren Mietpreisen.

KraftWerk1 ist als Genossenschaft organisiert, wenn du einziehst, bist du zu nichts verpflichtet. Die Mietzinsen sind wie bei normalen Neubauwohnungen nicht niedrig. Es gibt aber für den Solidaritäts- und Infrastrukturfonds einen einkommensabhängigen Beitrag, den jeder Mieter bezahlen muss. Man bezahlt den Genossenschaftsbeitrag und diese interne Extrasteuer, die auf die Miete geschlagen wird. Der Solidaritätsbeitrag wird verwendet um von Fall zu Fall Mieten zu senken. Es kann daraus sogar der Genossenschaftsbeitrag bezahlt werden. Und er deckt Kosten für Gemeinschaftsräume, Dachrestaurant und und...
Wenn du eine WG bildest, dann musst du natürlich weniger Mietzins zahlen. 500-600 Franken sind möglich für ein rechtes Zimmer. Es sind bis jetzt etwa 3 bis 4 Gross-WGs , 14 Zimmer WGs. KraftWerk1 ist ein Gebilde mit WGs, aber auch mit ganz normalen 2-Zimmerwohnungen für Leute, die nichts mit den anderen zu tun haben wollen. Viele sagen, es gibt jetzt so viele Gemeinschaftsräume, da muss man ja nicht mehr in eine WG. Diese verschiedenen Denkweisen sind wichtig, damit die anderen merken, dass sie etwas mit einander zu tun haben. Damit es funktioniert, muss es die grossen Unterschiede geben.
p.m.´s Funktion im Projekt hat vor allem im Insistieren bestanden: 1) macht es doppelt so gross, macht es gross genug und macht keine geschützte Sozialwerkstatt! und 2.) Achtet auf die Beziehung Stadt-Land, Nord-Süd! KraftWerk1 soll ein Kosmos sein. Auch SVP-Mitglieder sind willkommen. In den 80er Jahren hat man die Nischen besetzt, jetzt geht´s los im Zentrum des Systems. In diesem Sinne ist KraftWerk1 nichts für AussteigerInnen. Das Projekt soll beweisen, dass ein Neubau ökologisch und sozialverträglich sein kann. Mit null Utopiebedingungen.
Man darf nicht klein anfangen. Klein und vernetzt hat zwar den Vorteil: man kann sofort beginnen, jeder kann etwas beitragen, es ist demokratisch und horizontal organisiert, aber es hat einen Fehler: es funktioniert nicht. Die Faszination der rhizomatischen Vernetzung ist ein bisschen vorbei. Strukturen sind nicht von der Basis her zu ändern. Nur von "oben" her. Hierarchisch heisst hier, die Ebene schaffen, auf der man strukturelle Entscheide treffen kann. Ich sagte 500 braucht's. Das ist dennoch die Froschperspektive. Oben ist immer noch der Storch.
Wer weiss. Vielleicht wird das ganze auch eine ganz normale Baugenossenschaft. Jedoch der Name KraftWerk1 suggeriert Utopiecharakter. Durch Nachahmung könnte das Projekt weiterwachsen, könnte es ein KraftWerk2,ein KraftWerk3 geben.
Werden die BewohnerInnen von KraftWerk1 aufs Land arbeiten gehen müssen? Das Beizenteam, eine kurdische-armeinische-libanesische-amerikanische Crew, hat natürlich ihre Lieferanten vom Land. Es soll auch ein Take-away und ein Laden entstehen. Auch haben die Organisatoren Bauern eingeladen, um einen möglichen Austausch zu diskutieren. Die Bauern betrachten zu recht ihre Arbeit als eine hochqualifizierte. Dazu braucht es grundsätzlich keine "Galöris" von der Stadt. Beim Äpfelablesen, heuen, und Käferpflücken könnten jedoch Synergien entstehen. Es soll ein Anschlagbrett geben, dass auf solche Mitarbeiten aufmerksam macht. Die Arbeitszeit könnte dann in Franken umgerechnet werden. Die Bauern würden die Arbeit anrechnen.
Selbstversorgung ist zwar ein ganz wichtiger Punkt Aber rein non-monetär geht nicht. Es gilt das monetäre System zu umzingeln und zu erwürgen. Aber man muss bei 100% monetär anfangen und dann immer mehr nicht monetäre Elemente reinbringen. Geld ist ein Massstab dafür, dass die persönlichen Austauschbeziehungen nicht klappen. Aber wenn man das Geld abschafft, schafft man erstmals nur das Chaos. Erst wenn die Austauschbeziehungen funktionieren, dann kann man dann auch das Geld abschaffen.
p.m. kommt zum Schluss noch einmal auf die notwendige Grösse eines Projektes wie KraftWerk1 zu sprechen. Die Kommune Niederkauffungen, südlich von Kassel, hat einen eigenen Bauernhof. Aber 70 Leute, die dort wohnen und arbeiten, sind zu wenig. Das Projekt ist zum Scheitern verurteilt, das Scheitern aber meistern sie ausserordentlich gut. Gemeinsame Kasse, ein Topf, der mit Lohn, den Einnahmen aus dem Eigenbetrieb und Sozialgelder gefüllt wird. Wenn du Geld brauchst, dann holst du's dir. 10 Autos. Damit kommen sie aus. Gekocht wird jeder Tag für alle, es wird geheizt, es ist flexibel in Wohngruppen organisiert. Die Milch geht vom eigenen Betrieb direkt in die Küche und dort wird sie getrunken. Jede Woche findet eine 3-4 stündige Plenumssitzung mit allen 70 statt, entschieden wird nicht nach dem Mehrheitsprinzip sondern nach Konsens. Ist etwas entschieden, gibt´s noch ein wöchiges Moratorium. Dann kann man auf den Entscheid wieder zurückkommen. Sie leben nicht sektiererisch, es gibt kein Kleidercode, sie sind wie du und ich.
Die Kommune ist ein ländliches Projekt. Die soziale Kontrolle ist sehr stark. (Das was man nicht macht, machen aber immer noch ein paar! Deshalb ist das Projekt noch nicht gescheitert). Wenn ein Projekt zu klein ist, wenn zu wenige mitmachen, ist man gegenseitig erpressbar durch Liebesentzug. Niederkauffungen wollten immer 100 werden. Bei 150 ist die kritische Grenze. Es ist die Primatenkonstante. Es ist vergleichbar mit der Anzahl Affen, die sich gegenseitig lausen. Sind es mehr als 150 TeilnehmerInnen, ist kein Konsensprinzip mehr möglich. KraftWerk1 darf nicht weniger als 150 Leute sein, sonst setzt man sich in die Vertrauensfalle.

Buchtipp:
· Dunbar, R. (1997). Grooming, Gossip and the Evolution of Language. New York: Faber & Faber.

p.m. auf dem Netz:
· Als 1983 das Buch "bolo´bolo" in einem kleinen Züricher Verlag erschien, ahnte noch niemand den donnernden Widerhall, den dieses Büchlein - in bestimmten, vielleicht ganz überschaubaren Kreisen wenigstens - finden sollte. > http://www.sowifo.fu-berlin.de/osi/fsi/ap/ap5-bolo.htm
· "bolo`bolo" ist bereits in 7 Sprachen erschienen, hier ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem bedeutenden Werk. > http://www.geocities.com/RainForest/1650/d_bolo.htm
· The god-prop in bolo'bolo, by pm (by james) Local self-sufficiency in almost everything forms the basis for our building a stateless, moneyless structure... > http://www.efn.org/~jamesd/bolo'bolo.html#errata
· Webcam-Bild der Baustelle, auf der das Kraftwerk1 entsteht (entliehen von der Kraftwerk1-Homepage) > http://www.pfarrer.ch/denkmal/casanostra.htm
· Nous nous trouvons aujourd'hui devant une situation paradoxale: d'un côté le capitalisme (ou l''économie', qui n'a jamais été que capitaliste) semble parvenu à son terme; de l'autre, il semble qu'il n'y ait pas réellement d'alternative à lui opposer... > http://www.freecyb.com/eclat/bolo/mortlente.html
· The only real wealth is cultural wealth; 'Bolo'Bolo' is a visionary booklet (published by Paranoia City Verlag, Zurich) The main questions it addresses are as follows... > http://www.globalideasbank.org/BOV/BV-235.HTML
· Weltwoche Nr. 2/99, 14.1.1999; Das Wohnprojekt Kraftwerk 1 in Zürich: probates Mittel gegen städtische Vereinsamung oder Schnee von gestern? > http://www.weltwoche.ch/inframe.html?ref=http://www.weltwoche.ch/0299/02.99.kraft.html

Wer die Protokolle per e-mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken (alilum@bluewin.ch). Neu aufgearbeitet sind sie auch unter www.zusammenstoss.ch einzusehen. Und wer die Protokolle überhaupt nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen. Liebe Grüsse Adi


Nächstes Treffen: Freitag, 24. November, um 19 Uhr: Utopia Rossi.

Boris Rossi hat über einige Jahre die Zeitschrift Utopia (mit)herausgegeben. Wie sein Utopia aussehen soll, wird er uns an diesem Abend aufzeigen. Auch die Zukunft des Kulturzentrums Boa in Luzern wird wahrscheinlich zur Sprache kommen.
Beim Nachtessen mit p.m. waren dabei: Adi Blum, Adrian Borgula, Severin Perrig, Beat Gloor, Hansruedi Hitz, Daniela Bühler, Claudius Weber und Beat Sterchi. Zum Essen gab es Luzerner Kügelipastetli.

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