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Nachtessen am Gartenweg: Maria Montessori

Maria Montessori, 1870 geboren in Italien, 1952 gestorben in Holland, war die erste Ärztin Italiens. Wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, hätte sie Lehrerin werden sollen. Sie hatte sich aber durchsetzen können und studierte Medizin. In den Neunzigern aber begann sie ein Zusatzstudium und studierte Pädagogik. In der Folge baute sie in einem römischen Arbeiterquartier das Kinderhaus San Lorenzo auf, in welchem sie sich um die drei- bis sechsjährigen Kinder, die allgemein als verwahrlost und nicht lernfähig galten, kümmerte. Mit ihrer neuartigen Methode und dem "Montessori-Material" weckte sie das Interesse der Kinder.

Kennzeichnend für Montessori ist die Arbeit mit Material. Livius Fordschmid zeigte uns einen Katalog, in dem Würfel, Stangen, Türme usw. abgebildet waren. Mit diesem konkreten Material erlernen die Kinder an den Montessorischulen Abstand und Dimensionen zu erkennen. Dadurch, dass ein Kind zum Beispiel beim Bau eines Turms, selbst Erfolg oder Misserfolg seines Tuns erkennen kann, wird seine Eigenständigkeit und sein Selbstbewusstsein gestärkt. Das Kind trifft auf eine vorbereitete Umgebung und entscheidet spontan und frei, mit welchem Material es arbeiten will. Es wird nicht zu etwas erzogen, es entwickelt seine Talente frei.

Maria Montessori ging es darum, die Kinder auf das praktische Leben vorzubereiten. Sie lernte die Kinder das Nasenputzen. Es gab einen Backofen in jedem Kinderhaus. Auch heute hat jeder Montessori Kindergarten ein Küchenabteil, wo ab fünf oder sechs Jahren gekocht wird, Nudeln, Suppen, ganze einfache Rezepte.

Wichtig ist auch die Ästhetik des Materials: es ist wertvoll. Das Kind lernt sorgfältig damit umzugehen. Es holt es aus dem Schrank und tut es dorthin wieder zurück. Diese Sorgfalt in den Dingen wird zu einer Sorgfalt der Welt, den Menschen gegenüber.

Die Kinder wechseln Klassen im Dreijahresprinzip. Die drei- bis sechsjährigen arbeiten oder spielen zusammen, so auch die sechs- bis neunjährigen und die neun- bis zwölfjährigen. Die Jüngeren sollen von den Älteren lernen können und die Älteren sollen lernen, indem sie den Jüngeren erklären. Bei der Leistungsbeurteilung urteilt das Kind mit. Es gibt, zumindestens der Theorie nach, keine Noten und keine materiellen Auszeichnungen.

Die Rolle der Lehrperson ist eine unterstützende. Sie setzt Impulse und zieht sich dann zurück. Das Material erlaubt dem Kind ja, sich selbst zu kontrollieren. Oberster Leitsatz ist hier; hilf dem Kind, damit es die Aufgabe selbst lösen kann. Die Lehrperson beobachtet und kann, von Fall zu Fall, auch Grenzen setzen.

Mit ihren Ideen wurde Maria Montessori bald bekannt in ganz Italien und der Erfolg gab ihr recht: Schüler und Schülerinnen, die nach ihren Methoden unterrichtet worden waren, schlossen bei Tests besser ab. Ihre Methode fand Verbreitung in Italien, Holland auch, wo sie ihren Lebensabend verbrachte, vor allem aber in den angelsächsischen Ländern. Bei uns sind die Rudolf-Steinerschulen bekannter.

Maria Montessori geht von der Welt aus, wie sie ist, und will die Kinder auf ein praktisches Leben in dieser Welt vorbereiten. In diesem Sinne ist ihr Konzept kein utopisches. Sie glaubte aber durch Kindererziehung "bessere Menschen" entwickeln zu können. Sie war überzeugt, dass harte Bestrafung von Verbrechern die Welt nicht zu einer besseren machen kann. Die Menschen sollten andere Grundbedingungen, andere Möglichkeiten haben im Leben. Ein erzogenes Kind hat eine gutes Selbstbewusstsein und weiss, wie es sich im Leben bewegen kann. Hier liegt der utopische Ansatz. "Ich behandle meine Materialien anständig und erwarte, dass der andere dasselbe tut", so erklärte Livius Maria Montessoris Ansatz, "so entwickle ich Respekt für das Material und auch Respekt für den anderen Menschen." Konkret sah Maria Montessori in ihrer Pädagogik auch eine Friedenserziehung vor.

Livius hat als Dreijähriger in New York einen Montessori Kindergarten besucht. Diese Zeit hat ihn geprägt. Ein weiterer Aspekt, sagte er, sei der, dass man lerne, vom ganzen aufs einzelne zu gehen und nicht umgekehrt. Sie hätten im Kindergarten, zum Beispiel, zuerst mit der Weltkarte, mit dem Globus gespielt, um erst später näher auf die einzelnen Regionen der Welt einzugehen. Hier in der Schweiz lerne man in der Schule erst die Stadt, dann die Region, dann den Kanton kennen. Und wenn man dann die Schweiz kennengelernt habe, dann sei die obligatorische Schulzeit vorüber, und man habe dann genau das Weltbild, welches viele Schweizer heute hätten.

Wer die Protokolle per e-mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken (alilum@bluewin.ch). Und wer die Protokolle nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen.

Nächstes Treffen: Freitag, 30. Juni, um 19 Uhr: Jacques Derridas GOLEM

Felix Keller, Soziologe und unglücklich veranlagter Kanarienvogelzüchter, umreisst das Thema folgendermassen: "Das Utopienverbot ist eine Denkfigur, die in den siebziger Jahren wieder auftaucht (im Zusammenhang auch mit Derrida), ihre Wurzeln aber bereits in der jüdischen Mystik hat." Ich kenne Felix vor allem von seinen Aufsätzen "Cyberspace? Das Internet und die Aktualisierung einer Utopie" und "William Gibsons Heterotopien" her. William Gibson ist ja bekanntlich der Autor des Science-fiction "Neuromancer" und der, der in den achtziger Jahren das Wort "Cyberspace" prägte. Wer will kann diese und weitere Aufsätze unter der Adresse http://www.unizh.ch/~flkeller/texte.htm abrufen.

Beim Nachtessen mit Livius Fordschmid waren dabei: Judith Huber, Claudia Fischer, Andreas Schwab, Bruno Zihlmann und Adi Blum. Was es zum Essen gab kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Es ist zu lange her.


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