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Nachtessen am Gartenweg: Entspannt in die Barbarei

Mit Adrian Borgula, Luzerner Grossrat der Grünen, diskutierten wir einen Text von Jutta Ditfurth: "Entspannt in die Barbarei". (Die Grünen Deutschlands: eine Vollzugspartei für Kapitalinteressen? Und wo stehen die Grünen der Schweiz?)

Zwei Punkte hob Adrian Borgula hervor nach Lektüre des Aufsatzes von Jutta Ditfurth. Er findet den Ausdruck "die Antihumanen" sehr getroffen. Aus dem Bereich des Naturschutzes kenne er Leute, die dazu neigen würden, den Menschen als Fehlprodukt der Natur zu betrachten. Dies führe zu der von Ditfurth beschriebenen "Entwertung des Menschen". Doch auf der anderen Seite stehe dann die "Überhöhung des Menschen", und solche vor allem doch männlichen Allmachtsphantasien würden wir ja aus den James Bond-Filmen kennen. Der Mensch setze sich mit Gott gleich.

Zweitens, so Adrian, fände er die Behauptung Ditfurths, dass die Grünen Deutschlands eine Vollzugspartei der Kapitalinteressen sein sollen, ein starkes Stück. Bedeutet Regierungsbeteiligung unbedingt Korruption? Die Schweizer Grünen betreffe diesen Vorwurf nicht direkt. Der NATO-Einsatz im Kosovo habe die Linke zwar auch hier zerrissen. Doch sie seien fast nirgends in der Exekutive. Und das sei so eine ganz andere Situation.

Im Parlament hingegen seien die Grünen auch in der Schweiz. Ditfurth kämpfe für ihre Werte in ausserparlamentarischer Opposition. Aber, wenn man nicht an eine nahe Revolution glaube, komme es denn darauf an, ob man seine politische Arbeit im oder ausserhalb des Parlamentes mache? Das gesellschaftliche Gefüge sei da. Früher habe er auch gedacht: ausserparlamentarisch! "Uns war der Staat feind. Nun sind wir staatstreuer geworden als die Neoliberalen, die immer ihre Feste feiern, wenn wieder irgendein Gesetzespassus gestrichen werden konnte. Wir kämpfen jetzt fürs Primat der Politik über die Wirtschaft. Es gilt zu verhindern, dass alles noch "verreckter" kommt.

Ich gebe zu, das ist defensiv, sogar konservativ. Aber demotivierend wirkt, dass es zur Zeit kein grosses linkes Projekt gibt. Realsozialistische Modelle waren keine Vorbilder, aber das Problem ist, nach 89, nach Zusammenbruch des Ostblocks, hat die Suche nach dem dritten Weg nicht begonnen." Ob er, Adrian, sich denn von einer Utopie nähre, wollte Judith wissen.

Ob er von den kleinen Schrittchen lebe, oder von seiner Kampflust? Kampflust sei es nicht. Es seien die die kleinen Schrittchen, die "Erfölgli", und die Hoffnung auf langfristige Wirkung. Und nicht zu letzt auch, damit es die bürgerliche Mehrheit nicht zu einfach habe, damit sie argumentieren müssten. "Wenn es manchmal auch nichts nützt, wenigstens muss es gesagt sein!"

Und zu den Utopien: Seine Arbeit sei blanke Realität. Und doch sei es wichtig, sich seine Zielvorstellungen immer wieder vor Augen zu führen. Er sehe "Utopie" im Sinne Ernst Blochs. Dieser sagt: "Das ungeheure utopische Vorkommen in der Welt ist explizit fast unerhellt. Von allen Seltsamkeiten des Nichtwissens ist dies eine der auffälligsten." (Bloch in Ditfurth, 1997) Und wie Ditfurth würde er auch folgende Elemente des "ungeheuren utopischen Vorkommens" erhellen: soziale Gleichheit, individuelle Freiheit und Selbstbestimmung, Befreiung von Ausbeutung, Patriarchat und von jeder Form der Herrschaft von Menschen über Menschen, Beendigung der Vernichtung der ökologischen Grundlagen allen sozialen Lebens. Diese Begriffe seien Wegweiser. Sie seien die Eckpunkte seiner Utopie.

Und wichtig sei zu sagen, es gebe keine einheitliche Erklärungsschiene. Ein ideologisches Dach über alles zu stülpen funktioniere nicht. Dass aber gewisses höher gewertet werde als anderes sei unabdingbar. Zum Beispiel sei er und seine Partei für die bilateralen Abkommen, obwohl das Landverkehrsabkommen zu einem gewaltigen Anstieg des Lastwagenverkehrs führen würde und die Agrarpolitik der EU eine Katastrophe sei. "Aber die Schweiz war in Sachen Ökologie nie fortschrittlicher. Wenn es Geld gibt, macht sie bei jeder Politik mit. - Wir stehen für eine Öffnung zu Europa." Das Referendum ergreifen, hiesse eine Überhöhung der Schweiz. Europa sei höher zu werten als ein temporäres Bessergehen mit weniger Verkehr. "Verrate ich da grüne Ideen? Nein. Mit einer einzigen Messlatte messen (z. Bsp. Verkehr) geht nicht. Deutschland soll die LSVA einführen. Da können wir mithelfen."

"Und noch dieser Punkt zur Utopie. In Öko-Heftlis wird immer noch geschrieben, in 30 Jahren werde die Energiefrage gelöst sein. Das ist doch nicht wahr. Eine Utopie soll nicht sauber sein. Dann wird sie unwahr. Es soll nicht alles aufgehen: dreckig soll es sein."

Ob man die ökologische Frage ohne die soziale stellen könne, wollte Adi wissen. Können schon, meinte Adrian. Das führe dann aber zu Ansichten, wie sie zum Beispiel im Dunstkreis um Peter Singer vertreten würden. Sie würden ein ideales System Natur verherrlichen, sie würden mystifizieren und hätten eine Anthropophobie (Ich zitiere Wilhelm Busch: "Diese Menschheit ist nichts weiter als / eine Hautkrankheit des Erdenballs". Ende Zitat. Anmerkung des Hrsg.). Peter Singer befürworte die Euthanasie von Behinderten. Das sei aber nur eine Extremform von dem, was subtil ohnehin schon laufe (pränatale Diagnostik; Versicherungen, die für behinderte Kinder nicht mehr bezahlen usw.). Die Esoterik, wie Ditfurth sie beschreibe, bereite ein solches Denken vor. Aber auch die allgemeine Lethargie, das Zurück-ins-Kämmerchen-Leben. Hier gebe es schon erstaunliche Ausblendungen. Es scheine, diese Leute seien sich nicht mehr bewusst, dass sie in einem sozialen Umfeld leben. "Ich als Biologe weiss, die Natur funktioniert unglaublich komplex. Aber ich würde das nie überhöhen. Ich warne davor, vermeintliche Naturgesetzlichkeiten in den sozialen Bereich zu übertragen."

Für solche Ideen sei die bürgerliche Grüne eher anfällig. "Bei uns im Grünen Bündnis, Luzern, ist die soziale Frage schon immer eine wichtige Frage gewesen. Es ist die Folgepartei der POCH und es haben sich hier Menschen getroffen, die aus der sozialen, der feministischen und der Dritte-Welt Bewegung kommen. Das Soziale kann nicht vom Ökologischen getrennt werden. Der Mensch ist wie Tiere und Pflanzen ein Teil der Natur und sicher kein Übel oder Fehler."

Wichtiger sei etwa die Frage der ausbeuterischen Verhältnisse bezogen auf das Soziale und die Ökologie. Für sie sei die Nachhaltigkeit die Messlatte. "Wir kämpfen für partnerschaftliche, selbstbestimmte Verhältnisse zwischen Mensch und Natur, zwischen den Völkern, den Menschen. Und ich glaube, dass sich angesichts des Globalen wieder eine Regionalisierung einstellen wird. Multi-ethnische Vermischung war schon immer ein Fakt. Abgrenzung und Sauberhaltung führt zu Kriegen. Die Nationalstaaten sind nur ein Konstrukt. Was sie ablösen wird ist die Frage der Zukunft. Es müssen überschaubare Räume sein, in denen Aufgaben gemeinsam gelöst werden. Dagegen gibt es natürlich immer mehr Fragen, die die ganze Welt betreffen. Die Ressourcen zum Beispiel. Die Politik der kleinen Kreisläufe ist ein urgrünes Anliegen. Aber das Energieniveau der westlichen Welt ist horrend. Es bräuchte fünf Welten, wenn alle so viel Energie verbrauchen würden, wie wir im Westen. Die Biodiversität zum Beispiel. Es ginge zwar auch mit nur 10 statt 30 Millionen Tierarten. Aber wollen wir in Zukunft ohne Elefanten leben auf dieser Welt?"

Wer die Protokolle per e-mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken (alilum@bluewin.ch). Und wer die Protokolle nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen.


Nächstes Treffen: Freitag, 4. Februar, um 19 Uhr: p.m.

Nach der Lesung vom 1.1.2000 "Die Schrecken des Jahres 1000" natürlich ein willkommener Anlass, den Urheber persönlich kennenzulernen. Und er schrieb ja auch Utopisches in "bolo´ bolo", "Weltgeist Superstar", "Amberland" und und und... Kraftwerk 1 wird sicher Thema sein. Informiert Euch doch über http://www.kraftwerk1.ch .

Am 10. Dezember mit Adrian Borgula waren da: Daniela Bühler, Hansruedi Hitz, Judith Huber, Adi Blum und Roberto Di Valentino. Zum Essen gab es zwei gefüllte Caquelons Fondue.


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