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Nachtessen am Gartenweg: DELPHI 98 - Zukunft nachgefragt

Peter Troxler stellte uns die DELPHI Umfrage 98 vor: "Zukunft nachgefragt", Studie zur globalen Entwicklung von Wissenschaft und Technik. Eine erste solche Umfrage ist schon 1993 im Auftrag des Deutschen "Bundesministerium für Forschung und Technologie" durchgeführt worden.

Wir füllten alle einen Fragebogen aus zu den "Megatrends". Anschliessend trugen wir die Resultate in einem zweitem Bogen ein. Dann füllten wir den Frageboden noch einmal aus. Dies ist das spezielle Auswerteverfahren, die die Studie DELPHI angewendet hat: Die 2453 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft füllten den Bogen aus und reichten ihn ein. Dadurch, dass sie ihn noch ein zweites Mal, das Resultat der ersten Rund wissend, ausfüllen mussten (1856 sandten ihn zurück), wurde in vielen Punkten Konsens erreicht.

Was die Experten zu den MEGATRENDS prognostizieren (eine "prosaisierte" Fassung auf Grund des Fragebogen):

"Wir zählen das Jahr 2025. In Deutschland werden immer noch Familien gegründet. Mann und Frau gehen wie heute auswärts ihrer Arbeit nach. Wie heute herrschen kriegerische Konflikte überall auf der Welt. Keine Weltregierung, die wirksam eindämmen könnte, hat sich gebildet. Die armen Länder stellen noch keine Bedrohung für die reichen dar. Der Islam ist nicht zum politisch stärksten Staatenblock der Welt geworden. China ist immer noch ärmer als die EU.

Die Klimaentwicklung hat noch zu keiner Entvölkerung grosser Gebiete geführt, und massive Imigrationsströme, welche in Deutschland zu Unruhen hätten führen können, sind ausgeblieben. Die deutsche Wirtschaftspolitik hat trotz Globalisierung lange ihre Wichtigkeit behalten. Kirche und Religion haben an Bedeutung verloren. Politische Entscheidungsgremien haben sich den Tendenzen zunehmender Individualisierung und Pluralisierung stark anpassen müssen, haben aber noch bis ins Jahr 2010 im herkömmlichen, demokratischen Sinne funktioniert.

Geändert hat sich einiges in den letzten Jahren. Die EU hat ihre Position gestärkt und hat die nationalstaatlichen Souveränitäten überwunden. Die Arbeitslosenrate Deutschlands ist gestiegen und ist seit Jahren dauerhaft hoch. Produziert wird ohne grosse Belegschaften auf technisch hohem Standard und global. Deutschland ist dank Reformationen international wieder zu einem sehr attraktiven Investitionsstandort geworden. Die Frauen besetzen seit einigen Jahren über ein Drittel aller Kaderpositionen.

Wirtschaftlich geht´s besser, aber die wachsenden Umweltprobleme hat man nicht im Griff: Viele Menschen leiden schon lange an Hautausschlägen und haben Atemprobleme. Über ein Drittel der Menschen sind 60 oder älter. Die Menschheit hat die 10-Milliarden-Grenze überschritten. Seit 2018 ist der Energieverbrauch aller privaten Haushalte rationiert."

Hier ist, zum Vergleich, was wir prognostizierten (auf die CH adaptiert):

"Wir zählen das Jahr 2025. Die Schweiz ist seit zwanzig Jahren ein international attraktiver Investitionsstandort. Die Frauen besetzen einen Drittel aller Führungspositionen in der Wirtschaft. Es wird wie früher auswärts gearbeitet. Die Schweizer Arbeitslosenquote ist klein wie gehabt. 2010 haben massive Migrationen in der Schweiz zu Unruhen geführt (!). Die Globalisierung hat die Schweizer Wirtschaftspolitik fast völlig bedeutungslos gemacht (wir meinen, es geht aber weniger schnell). Mehr als die Hälfte aller Kirchen haben ihre Tore geschlossen. Die repräsentative Demokratie hat schon seit 2005 nicht mehr viel zu entscheiden. Die EU hat die Souveränität in Europa. Keine Weltregierung hat sich etablieren können.

Der Islam hat sich politisch nicht stärken können. Es toben Kriege zwischen armen und reichen Ländern (!). Benzin und Erdöl sind in der Schweiz noch nicht rationiert worden. Wachsende Umweltprobleme beeinträchtigen aber die Gesundheit der Menschen. Im Jahre 2014 ist der zehn milliardste Mensch geboren worden. Alte über 60 stellen über einen Drittel der Bevölkerung.

Ob China reicher als die EU sei, und ob Schweizer noch Familien gründen, müssen wir offen lassen. (Da konnten wir uns heute 1999 nicht entscheiden.)"

Peter zeigte uns die zwei umfangreichen Bände der 98er Umfrage. Er enthält Thesen und Prognosen zu folgenden Gebieten:

  • Megatrends;
  • Information und Kommunikation;
  • Dienstleistung & Konsum;
  • Management & Produktion;
  • Chemie & Werkstoffe;
  • Gesundheit & Lebensprozesse;
  • Landwirtschaft & Ernährung;
  • Umwelt & Natur;
  • Energie & Rohstoffe;
  • Bauen & Wohnen;
  • Mobilität & Transport;
  • Raumfahrt;
  • Grossexperimente.

Um einen kleinen Eindruck zu geben, was für Thesen aufscheinen, möchte ich hier - zufällig ausgewählt - ein paar wenige wiedergeben:

  1. Nitrat-Eliminationsverfahren werden in grossem Umfang bei der Trinkwasseraufbereitung eingesetzt (Umwelt & Natur)
  2. Durch technische Weiterentwicklung werden Wohnungen von elektromagnetischen Smog entlastet (Bauen & Wohnen)
  3. Die Mehrheit der Unternehmen entlohnt leistungsbezogen mit Unternehmens-Anteilscheinen (Aktien), weil es sich als motivations- und damit produktivitätserhöhend herausgestellt hat. (Management & Produktion)
  4. Roboter werden entwickelt, die im Katastrophenfall Menschen erkennen, nachforschen und Hilfe leisten. (Dienstleistung & Konsum)
  5. Mit Hilfe elektrischer und elektromagnetischer Verfahren können Computer die im menschlichen Gehirn gespeicherten Informationen erfassen. (Information & Kommunikation)

Die Thesen der Umfrage sind von Fachexperten formuliert worden. Vorgelegt wurden sie eher älteren Kaderleuten, die zu je einem Drittel aus Industrie, aus Hochschule und den öffentlichen Diensten stammen. Welche Interessen stehen dahinter?

Können sich solche Thesen zu self-fulfilling prophecies entwickeln (Trend-Setting)? Peter meinte, als erstes müsse das menschliche Sicherheitsstreben erwähnt werden. Da wir nicht wissen, was passieren wird, wollen wir Prognosen. Und hier gäbe es zwei Pole: a) die romantische Wahrsagerei und b) die methodisch abgestützte Zukunftsforschung. Die Zukunftsforschung begnüge sich nicht damit, die Zukunft zu benennen, sondern sie wolle die Zukunft gestalten. Das Trend-Setting als Aktivität sei also formulierte Absicht. Er empfahl uns folgendes Buch: "Die Zukunftsmacher. Denker, Planer, Manager des 21. Jahrhunderts." (Bert Beyers. Campus Verlag Frankfurt / New York. 1999.) Es enthält Beiträge von Roland Berger, Stanislaw Lem und Mathias Horx. u.a.

In 50 Jahren, meinte Andreas, werde man über all das, was in diesem Buch steht lachen. (Und er lachte.) Er als Historiker sei überzeugt, mit Zukunftsforschung könne man sich nur blamieren. Zukunftsforschung sei eine Sache der Gegenwart. Peter stimmte dem bei: Es gehe um eine Handhabung der Zukunft. Wenn man sich auch in der Zukunft blamiert haben wird, in der Gegenwart hat man sich profiliert.

Zum Schluss. DELPHI. Die Idee der Prognose ist eine alte. Die Methode hat sich aber deutlich gewandelt. Früher gingen die Priester zu dem Apollo gewidmeten Orakel in Delphi. Heute sitzt das Orakel in einer Amtsstube und schickt den Experten Fragebögen. Die Atmosphäre, in welcher prognostiziert wird, ist nüchtern und wissenschaftlich. Bei den alten Griechen ging es sinnlicher und poetischer zu und her: "Auf einem Dreifuss sitzend über einem Spalt, aus dem betäubende Gase aufstiegen, wurde die Pythia, die Orakelpriesterin Apollos, in Zustände versetzt. Sie stammelte dabei Worte, welche ihre Priester als Antwort auf die gestellte Frage in Verse umsetzten." (Lexikon der Symbole; p139).

Eines ist geblieben: das Stammeln. Wenn man sich nämlich die Zeit nimmt und im Bericht herumblättert, liest, es bleiben unzusammenhängende Sätze/Thesen zurück (wie es sich für ein anständiges und nützliches Nachschlagewerk gehört). Hier Glukose. Da Mikroorganismen. Dort Strahlungs-Sensibilisatoren. Hier Null-Abfall-Fabrikation. Da Kommunikations-Kryptotechnik. Dort CO2. Vielleicht würde hier Freudsche Traumdeutung etwas nützen? Oder eben, wie ich vorschlagen würde: die Antwort auf die gestellten Fragen in Verse umsetzen.

DELPHI ´98. Studie zur globalen Entwicklung von Wissenschaft und Technik. Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Karlsruhe 1998.

Wer die Protokolle per e-mail erhalten will, soll mir die Adresse schicken (alilum@bluewin.ch). Und wer die Protokolle nicht mehr erhalten will, soll mir das doch auch mitteilen.


Nächstes Treffen: Freitag, 19. November, um 19 Uhr: EXPO 02 - die Schweizer Idee

Dogan Firuzbay, der bei der Direction artistique der Expo ist, wird uns alle die Fragen beantworten, die wir uns zur Expo gestellt haben.

Am 29. Oktober mit Peter Troxler waren da: Andreas Schwab, Bruno Zihlmann und Adi Blum.


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