DAS KULTURKABINETT



Protokoll vom 6. November 98

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Nachtessen am Gartenweg

Nach dem 22. zusammenstoss vom 6. November hier das Protokoll des Abends und eine Einladung zum Nachtessen vom Freitag, 27. November, 19 Uhr. Es trafen sich Johann Krempels, Judith Huber, Fritz Franz Vogel, Daniela Bühler und Adi Blum. Aus dem Backofen: Hörnliauflauf.

Wie stellt sich die COOP-Zeitung ihre Leserschaft vor? Wen will sie ansprechen? Was ist ihr Publikum? Daniela Bühler, die bei der Redaktion der COOP-Zeitung mitarbeitet, stellte uns an diesem Abend die Zeitung vor. Keine Werbeaktion, versicherte sie uns.

Ich mache Werbung für das Nachtessen: Kartoffelgratin mit Vacherin und Lauch. Viel Vacherin gibt diesem Gratin einen besonderen Geschmack - und macht ihn fast zum Kartoffelfondue. Kartoffeln schälen, in drei bis vier Millimeter dicke Scheiben schneiden...

Unsere Abmachung: Damit der Aufwand für das "Nachtessen am Gartenweg" sich fair auf verschiedene Schultern verteilt, kocht immer wieder jemand anderes das Nachtessen. Das Rezept für den 27. November liegt bereit: COOP-Zeitung vom 4. November 98, p 48f. Uns fehlt nur noch jemand, der es kocht...

Zurück zum COOP-Publikum. Daniela erläuterte. Die COOP-Zeitung (CO-Z) ist das offizielle Organ der COOP und ist eigentlich ein Mitteilungsblatt für alle Genossenschaftsmitglieder (Auflage: 1´082´409 Exemplare! Im Vergleich: die Schweiz hat ca. 7 Mio. Einwohner. Hinzu kommen 287´000 von der welschen und 58´000 von der Tessiner Fassung). Lakonische Bemerkung von Fritz: Die CO-Z ist das einzige, was die "Mitglieder" miteinander verbindet. Aktuell ist sie aber eher als ein PR-Produkt für COOP-Angebote (siehe COOP Frischmarkt p42) zu betrachten.

Sie finanziert sich zu 65% aus den Inserateneinnahmen (vor allem COOP, dann Firmen, die COOP ihre Produkte liefern) und zu 35% aus den Abo-Einnahmen. Die Redaktion der Zeitung liefert zu den Inseraten eine gut recherchierte Zeitung mit Artikeln zu gesellschaftlichen, kulturellen, und politischen Themen. Die CO-Z ist eine Publikumszeitschrift, d.h. sie soll für alle verständlich sein und bietet einen direkten Servicecharakter (man bekommt Tips und Lebenshilfen; man kann direkt bestellen usw.).

Hier nun die Thesen zur CO-Z, die als Leitlinien bei der Produktion der Zeitung dienen sollen:

-Die CoopZeitung ist eine Familienzeitschrift. Die Zeitung tritt so attraktiv auf, dass sie in jeder Familie ein gerngesehener Gast ist

-Die CoopZeitung ist aktuell. Sie greift diejenigen Themen auf, welche die Familienmitglieder bewegen und welche in der Familie im Gespräch sind.

-Die CoopZeitung ist jung. Zusätzliche Leserinnen und Leser kann die Zeitung insbesondere bei den neuen, jungen Familien gewinnen. Die CoopZeitung greift diejenigen Themen auf, welche junge und jüngere Familien interessieren. Wer einmal die CoopZeitung abonniert hat, bleibt ihr im Normalfall treu.

-Die CoopZeitung ist anschaulich. Text, Bild und Grafik bilden eine Einheit, welche auf ein Ziel ausgerichtet sind: Die Leserinnen und Leser müssen die für sie wichtigen Informationen und Aussagen in der CoopZeitung einfach und rasch erfassen können

-Die CoopZeitung ist nützlich. Das Lesen der CoopZeitung muss einen direkten Nutzen bringen. Der Nutzwert kann je nach Seite und Thema unterschiedlich sein.

-Die CoopZeitung ist vielfältig. Wie die Mitglieder einer Familie haben auch die Leserinnen und Leser der CoopZeitung sehr unterschiedliche Interessen. Themenschwerpunkte der CoopZeitung sind: Konsum und Politik, Familie und Gesellschaft, Kultur, Tourismus, Coop-Information.

-Die CoopZeitung ist konkurrenzfähig. Die Zeitung muss sich auf einem harten Medienmarkt gegenüber starker Konkurrenz behaupten. Das, kann sie nur mit herausragenden journalistischen Leistungen.

-Die CoopZeitung erfüllt einen verlegerischen Auftrag. Für die Herausgeberin ist die Coopzeitung «ein im Dienste der Coop-Gruppe stehendes Konsumenten- und Familienmagazin, das parteipolitisch und religiös neutral Hintergründe aufzeigt und Zusammenhänge analysiert».

Zusammenfassend gesagt: Die CO-Z ist eine aktuelle, junge, anschauliche, nützliche, vielfältige, konkurrenzfähige Zeitung, die in jeder Familie ein gern gesehener Gast ist und einen verlegerischen Auftrag erfüllt.

Daniela schrieb eine Geschichte über Fahrende. Sie musste sie auf den "Familienaspekt" zuspitzen. Es gibt Stimmen bei der CO-Z, die sich mehrheitlich mit Mehrheitenthemen beschäftigen wollen. Bei politischen Themen werden in der Regel beide Seiten (Pro und Con) zur Sprache kommen. In der Regel bezieht die CO-Z keine Stellung.

Fritz lobte das Lay-out: im Vergleich zum "Brückenbauer" (Migros) kommt die CO-Z gut weg. Was für Themen finden Rückhall in der Redaktion (=Vorpublikum)?. Kontroverse Themen sucht man eher nicht. Man will nicht die Leserschaft spalten. Harmonie und Ausgewogenheit sind eher angesagt: die CO-Z ist ja auch ein PR-Organ. Statt einen Bericht über Fahrende entscheidet man sich eher für einen Artikel "Wie zuverlässig sind Wetterprognosen?". Auch Selbstkritik wird eher gemieden. Die CO-Z könnte theoretisch bei COOP recherchieren. Sie könnte das kulturelle Engagements der COOP aufzeigen, Bezug nehmen.

Wir verglichen die CO-Z mit dem Brückenbauer. Die Migros setzt auf preisgünstige Produkte. Ökologische Gesichtspunkte gehen eher unter. COOP setzt auf Markenprodukte und verkauft auch Zigaretten und Alkohol. Die Migros frönt konsequenter dem Genossenschaftsgedanken. Es scheint so zumindest. Über die Personifizierung mit ihrem Begründer (Gottlieb Duttweiler) steht die Migros für die hehren Ziele desselben. Doch ist der gemeinschaftliche Gedanken nicht schon längst auch bei der Migros eine Chiffre, ein Werbeeffekt. Wie nachhaltig hat Duttweiler gewirkt? (Dazu Daniela: das hehre Ziel der Migros sei auch ziemlich fadenscheinig. So habe es ja neben jeder Migros-Filiale bald einen PickPay mit geistigen Getränken - und ob es das Kulturprozent überhaupt noch gäbe, fragte sie.) Und doch, so Fritz, halten beide, COOP und Migros, an der Maxime fest: überall in der Schweiz für jeden und jede der gleiche Preis. Ist das gerecht? Er votiert für eine Demokratisierung des Preises.

Wir stöberten durch die CO-Z. Das Editorial: Urs Knapp, Chefredaktor, wendet sich gegen die Droleg-Initiative. Cartoon: Chirac hält Zürich für die Hauptstadt der Schweiz. Frage der Woche: Lesen Sie Krimis oder sehen Sie sie im Fernsehen: 47,6% schauen fern, 3,8% lesen. Grosse Geschichte: "An den Nerven sägen", der lästige Scherzkeks, der ewige Besserwisser, der lieblose Egozentriker, der ultimative Stimmungskiller, der eingebildete Snob, das langweilige Weichei. Kleine nützliche Rubrik: Bücher, die helfen Nervensägen zu bändigen. Inserate. Test: sind Sie eine Nervensäge? Inserate. Politischer Teil. Welche Rubrik ist überlebenswichtig, wertschaffend?

Wir diskutierten den Medienbetrieb, den Prominentenmarkt. Die Abhängigkeit, in denen sich die CO-Z bewegt, ist nach Fritzens Meinung nicht die von der Firma COOP sondern die vom Medienbetrieb selbst. Das Karussell dreht sich. Die Informationen drehen sich in einem Kreiselverkehr. Hin und wieder erwischt eine Info eine Ausfahrt und eine neue kommt hinzu, die dem Medienpublikum zum Lesen angeboten wird.

Am 27. November wird jemand aus dem Performance-Bereich beim Nachtessen mitdabei sein. Ist das Performance-Publikum ein anderes Publikum als das anderer Bühnenkünste (Theater, Musik etc.)? Ich hoffe, es meldet sich jemand für das Vacherin-Gratin...

Wer die Protokolle nicht mehr erhalten will, soll mir doch das mitteilen. Mit lieben Grüssen, Adi.