DAS KULTURKABINETT



Protokoll vom 17. Juli 98

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Nachtessen am Gartenweg

Nach dem neunzehnten zusammenstoss vom 17. Juli hier das Protokoll des Abends und eine Einladung für ein Gartenfest vom Samstag, 15. August, ab 17.00.

Sommerflaute. Da ist ein Fest im Garten das richtige (damit auch einmal bewiesen werden kann, dass der Gartenweg seinen Namen zu recht trägt). Ich lege die Einladung dem Protokoll bei.

Am 17. Juli waren wir zu viert, um über Flusser und seine Medienkritik zu "philosophieren" (Adi Blum, Daniela Bühler, Judith Huber und Rafal Iten). Zu essen gab es hausgebackenes "Vogelheu".

Ausgehend von Flussers Aufsatz "Hinweg vom Papier" diskutierten wir natürlich vor allem das "neue" Medium Computer und die Möglichkeiten der Vernetzung. Es gibt nicht mehr ein Publikum (wie beim Fernsehen oder bei der "Guckkastenbühne") sondern jeder und jede kann mit dem Anbieter von "Information" Kontakt aufnehmen, Rückfragen stellen, oder - wie Flusser behauptet - am Angebotenen kreativ weiterarbeiten. Dies führe insgesamt zu einem Wandel der Kreativität, sogar zu einer "Befreiung der Schaffenskraft".

Flussers Begriff von der Kreativität (Kreativität bedeutet das Erzeugen vorher nicht dagewesenen Informationen) gab zu einiger Diskussion Anlass. Was für Bedenken gegen seine These angebracht werden können, führt ja Flusser gerade selber im Aufsatz aus:

1) Die erste Gruppe, die mythisch-magische, wendet ein, dass Kreativität ein geheimnisvoller Vorgang ist, dass nur einige wenige Menschen, "Genies", dazu fähig sind und dass daher nur in Einsamkeit kreiert wird. Der eben geschilderte Prozess des dialogischen Schreibens habe mit "wahrer" Kreativität nichts gemein.

2) Die zweite Gruppe, die romantisch-sentimentale, wendet ein, dass Kreativität ein gefühlsgeladener Ausbruch innerer Spannung ist und dass jede kritische Distanzierung diesen Ausbruch zurückdrängt. Der eben geschilderte Prozess des dialogischen Schreibens sei eine Methode, die für Kreativität notwendige Naivität ("Ursprünglichkeit") zu unterbinden.

3) Die dritte Gruppe, die des "gesunden Menschenverstandes", wendet ein, es gehe beim geschilderten Prozess des dialogischen Schreibens im Grunde um nichts Neues. Man habe schon immer so geschrieben; jedes Papierbuch sei Glied einer sich verzweigenden Kette von Texten, und dies habe sich eben nur technisch ein wenig "verbessert". Dieser angeblichen Verbesserung sei, wie allen technischen fads und gadgets, mit einer Dosis Misstrauen zu begegnen.

Nicht himmelhochjauchzend geht Flusser in die Welt der neuen Medientechnologie, aber auch nicht nostalgisch dem Bild und dem Buch nachtrauernd. Der Möglichkeit venetzt zu arbeiten gewinnt er viel ab und er meint, dass erst die Generationen nach ihm in diesem Feld aus dem vollen schöpfen werden.

Unsere Diskussion weitete sich immer mehr aus: was bedeutet das Sitzen vor dem Computer? Ist Vernetzung Gewinn an Lebensqualität (das Telefon hat ja das Leben auch sehr erleichtert) oder ist sie gerade das Gegenteil: Ursache von Vereinsamung vieler? Ist diese Medium Werkzeug? Kulturvermittler? Was ist Kultur überhaupt? Alles ist in der Kiste, alle sitzen vor der Kiste. Ist diese Kiste ein Fenster? Wo ist dann die Tür?

Am Gartenfest vom 15. August tauchen vielleicht weitere Ideen auf, wie wir mit unserer Runde weiterfahren wollen, wen wir als "Gäste" einladen wollen, wie wir das mit dem Kochen machen (bis anhin hat sich immer wieder jemand gemeldet, der jeweils Koch oder Köchin war). Aber grundsätzlich geht es bei diesem Gartenfest natürlich um ein Gartenfest mit Grilliertem und Wein. Mit lieben Grüssen. Adi.

Und wie immer: Wer kein Protokoll mehr erhalten will, soll mir doch das sagen, auf Telefonbeantworter sprechen, schreiben.