Computer und Sprache: Schreiben ins elektronische Feld

Rechner

Ironie der Geschichte: Die Computerpioniere wollten nicht Sprach-, sondern Rechenmaschinen bauen.
Konrad Zuse, Konstrukteur des ersten funktionstüchtigen Computers, nannte seine Maschinen "Rechenplangesteuerte Rechenanlagen". Der Computer blieb lange Zeit fest in den Händen der Mathematiker. Niklaus Wirth, Professor am Institut für Informatik der ETH, Schöpfer der Programmiersprachen Pascal und Modula, bezeichnet den Computer als "mathematische Maschine".
Doch: Der Mathematiker Alan Turing beschäftigte sich bereits mit Sprache: Seine Computer knackten im zweiten Weltkrieg den Code der Deutschen Wehrmacht. Auf der Gegenseite machte der Gefreite Konrad Zuse Vorschläge zur Chiffrierung militärischer Fernschreiben.
Howard H. Aiken nahm 1944 an der Harvard-Universität den ersten programmgesteuerten Rechner der USA in Betrieb, den elektromechanischen Mark I, der als Daten- und Programmeingabe einen Lochkartenleser und als Ausgabe eine elektrische Schreibmaschine. Die Buchhalter, Planer und Statistiker, die schon seit Jahrzehnten Lochkartentabulatoren und Schreibmaschinen einsetzten, wollten auf ihren Computerlisten nicht nur Zahlen, sondern auch Text lesen. Die Rechner mussten sich also von allem Anfang an wohl oder übel auch Buchstaben speichern.

Programmieren

Anfang der fünfziger Jahre entdeckten die Mathematiker die Vorzüge der Buchstaben. Das Programmieren der Rechner mit Wörtern statt mit Zahlen erwies sich als ausserordentlich produktiv, die Programmiersprachen ALGOL, COBOL, FORTRAN & Co. entstanden. Die Metapher vom Programmieren als dem Formulieren eines Problems in einer Sprache, die die Maschine "versteht", tauchte auf. Der KI-Forscher und Computerpädagoge Seymour Papert schreibt später: "Computer programmieren heisst nicht mehr und nicht weniger, als mit ihm in einer Sprache kommunizieren, die sowohl er als auch der menschliche Benutzer verstehen kann."
Und Joseph Weizenbaum schrieb: "Programmieren ist ein Test auf das Verstehen. In dieser Hinsicht gleicht es dem Bücherschreiben."
Sind also etwa Computersprachen die neuen Weltsprachen, wie ein Inserat des Fernlehrinstituts Onken einmal vorschlug?
Wohl kaum. In Computersprachen lässt sich nicht über Gott und die Welt sprechen, sondern nur über Bit und Byte, Hardware und Software.
Der Volksmund nannte den Slang der Informatiker "Computerchinesisch", vielleicht in weiser Vorahnung, dass der Computer uns zur Bilderschrift zurückführen wird, in der die geschriebene Sprache ihren Ursprung hat. Anfang der achtziger Jahre war es schon so weit. Das Bild, das gemäss einem Gemeinplatz mehr sagen soll als tausend Worte, verdrängte die Wörter von den Bildschirmen. Die Symbolsprache von MAC und Windows wurde zur eigentlichen Weltsprache. Die zweitausend Jahre alten Bilderschriften der Mayas, die ägyptischen Hieroglyphen und die moderne Benuterzoberfläche unterscheiden sich gar nicht so stark. Sie erzählen in Bildern von der Welt. Beides ist Silizium-Technologie.

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