Immer bessere Geräte und Programme, unterstützt durch hilfreiche professionelle Anleitungen der einschlägigen Fachpresse, ermöglichen immer bessere Resultate beim «Klonen» von Ton- und Tonbildträgern. Derweil wogt der «Krieg» zwischen den sich auf die technischen Möglichkeiten und die Konsumenteninteressen berufenden Gruppen und den ihre Urheberrechte verteidigenden Künstlern und Medienproduzenten hin und her. Der Autor des folgenden Beitrages legt aus der Sicht der Tonträgerproduzenten die geltenden rechtlichen ökonomischen Verhältnisse dar. (Red.)
Von Peter Vosseler*
Seit das Internet seinen Siegeszug angetreten hat, steht auch die Musikbranche unter zunehmendem Druck und vor neuen Herausforderungen. Allerdings werden die Diskussionen unter Schlagworten wie Napster, Gnutella, «Copy Kills Music» und CD-Kopierschutz oft emotional und mit unzureichender Sachkenntnis geführt. Es scheint daher geboten, die wichtigsten rechtlichen und ökonomischen Aspekte aus der Sicht der Tonträgerproduzenten darzustellen, um zu einer ausgewogeneren Meinungsbildung beizutragen.
Unter dem Begriff Tonträgerproduzenten sind alle Unternehmen zu verstehen, die davon leben, dass sie mit Künstlern Verträge schliessen, welche die Aufnahme, Vervielfältigung und Verbreitung ihrer musikalischen Darbietungen ermöglichen. Die Tonträgerproduzenten beschränken sich dabei nicht nur auf das Anfertigen der Aufnahmen und den Vertrieb der Tonträger (CD, MC usw.), sondern erbringen viele zusätzliche Leistungen von hohem kommerziellem und künstlerischem Wert. Tonträgerproduzenten investieren in unbekannte Künstler, begründen und fördern deren Karriere, bewerben mit stattlichem Aufwand und zumeist mittels Produktion investitionsintensiver Videoclips deren Produkte, finanzieren Tourneen, mustern Radios und TV-Stationen usw.
Nur etwa zwei von zehn Tonträger-Neuheiten sind kommerziell erfolgreich. Mit den Einnahmen aus ihrer Vermarktung werden die übrigen 80% der Neuproduktionen mitfinanziert. Das Investitionsrisiko der Tonträgerproduzenten ist also sehr hoch. Die Einnahmen der Produzenten müssen nicht nur mit den bei ihnen unter Vertrag stehenden Künstlern, sondern ebenso mit den Urhebern (Komponisten/Textern) und Verlegern geteilt werden. Es kann daher nicht verwundern, wenn sich die Branche der Tonträgerproduzenten gegen unrechtmässige Nutzungen ihrer Produkte wehrt.
Das ausufernde Anbieten von auf Tonträgern enthaltenen Musikaufnahmen zum Herunterladen im Internet stellt einen unrechtmässigen Eingriff in das allein den Urhebern und Tonträgerproduzenten zustehende Recht dar, ihre Werke beziehungsweise die musikalischen Darbietungen(Aufnahmen) derselben anzubieten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf das Privatkopierrecht hingewiesen; jedoch werden Aktivitäten wie das Herunterladen aus dem Internet nicht vom Privatkopierrecht gedeckt. Das Privatkopierrecht erlaubt das Kopieren (Vervielfältigen) für den eigenen privaten Gebrauch, wozu auch die unentgeltliche Fertigung und Weitergabe einiger weniger Kopien im Familien- und engen Freundeskreis zählt. Das Bereithalten von Musikaufnahmen zum Herunterladen im Internet bedeutet dagegen nichts anderes, als einer unbestimmten, weltweiten Öffentlichkeit zu ermöglichen, die jeweiligen Aufnahmen nach Belieben zu vervielfältigen - ein Download ist nichts anderes als ein Akt der Vervielfältigung. Derjenige, der ein solches Angebot unterhält, ohne zuvor die entsprechenden Rechte aller Beteiligten eingeholt zu haben, macht sich strafbar (Art. 67, 69 URG). Unrechtmässig handelt aber auch derjenige, der ein rechtswidriges Download-Angebot nutzt: Weil das Download-Angebot als Kopiervorlage nicht vom Privatkopierrecht gedeckt und damit unrechtmässig ist, kann eine Kopie davon nicht plötzlich wieder rechtmässig sein. Eine rechtmässige Kopie erfordert immer eine rechtmässige Kopiervorlage.
Ebenfalls unrechtmässig handelt, wer sich in sogenannten Internet-Tauschbörsen bedient. Schon die Bezeichnung ist irreführend: In diesen «Tauschbörsen» wird nichts getauscht, weil ein Tausch zwingend voraussetzt, dass der eine etwas weggibt und damit verliert, während er dafür als Ausgleich von einem anderen etwas erhält, was dieser anschliessend nicht mehr in seinem Besitz hat. Richtigerweise muss von Kopier- oder Vervielfältigungsbörsen die Rede sein, denn sie bieten dem Nutzer die Möglichkeit, innerhalb einesweltweiten, ihm völlig unbekannten Personenkreises seine eigenen Aufnahmen zum Kopierenzur Verfügung zu stellen und gleichzeitig von entsprechenden Angeboten anderer Nutzer Kopien zu fertigen und so die eigene Sammlung an Musikaufnahmen weiter wachsen zu lassen. Das Kopieren von Musikaufnahmen in Internet- Tauschbörsen ist, da es weit über den Personenkreis hinausgeht, den das Privatkopierrecht im Auge hat, ebenfalls strafbar.
Nicht nur unautorisierte Download-Angebote und «Tauschmöglichkeiten» im Internet sorgen dafür, dass den Inhabern der Rechte ein immer grösser werdender Teil der ihnen zustehenden Einnahmen aus der Verwertung ihrer Musikaufnahmen vorenthalten bleibt. Mindestens so bedrohlich wirkt sich die zunehmende Verbreitung von sogenannten CD-Brennern aus. CD-Brenner ermöglichen das Vervielfältigen von CDs ohne Qualitätsverlust, so dass mit jedem Kopiervorgang die Herstellung eines digitalen «Klons» erfolgt, der den Kauf des Originals erspart. Die Verkaufszahlen der dafür benötigten Leer-CDs (CD-R, CD-RW) gleichen sich in rasantem Tempo den Stückzahlen verkaufter Musik-CDs an. Im vergangenen Jahr hat die Zahl der weltweit auf Heimcomputern gebrannten CDs erstmals die Zahl der verkauften Musik-CDs erreicht. Für das laufende Jahr wird eine weitere Zunahme des Absatzes von Leer-CDs erwartet, so dass deren Zahlerstmals die Anzahl verkaufter Musik-CDs übertreffen wird. Dies lässt das Ausmass des wirtschaftlichen Schadens erahnen, den Urheber und Tonträgerproduzenten erleiden.
Angesichts dieser massiven wirtschaftlichen Bedrohung kann es niemanden ernsthaft erstaunen, dass die Tonträgerproduzenten begonnen haben, CDs mit Kopierschutzmechanismen zu versehen, um der massenweisen Vervielfältigung ihrer Produkte Einhalt zu gebieten. Gegner solcher Massnahmen führen den Konsumentenschutz ins Feldund wenden ein, Kopierschutzmechanismen untergrüben das Privatkopierrecht und seien daherunzulässig. Sie übersehen, dass das Privatkopierrecht zwar eine Schrankenbestimmung ist, die das verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht in Gestalt des Urheber- und Leistungsschutzrechtes begrenzt, aber dem Konsumenten keinen rechtlichen Anspruch auf die Herstellung von Privatkopien verschafft. Die Aufregung über Kopierschutzmechanismen ist aber auch hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten unverständlich: Gegen die schon seit langer Zeit im Video- und Softwarebereich zur Anwendung gelangenden Kopierschutzmechanismen wehrt sich niemand, und erst recht zweifelt keiner deren Legalität an.
Im Zuge der Umsetzung der am 20. Dezember 1996 in Genf unterzeichneten WIPO-Verträge (WPPT - Vertrag über Darbietungen und Tonträger sowie WCT - Urheberrechtsvertrag) insSchweizer Recht ist die gesetzliche Regelung technischer Schutzmassnahmen einschliesslich desVerbotes ihrer Umgehung zu erwarten. Ein derartiger gesetzlich geregelter Schutz der Urheber und Tonträgerproduzenten ist nicht nur auf Grund der aufgezeigten wirtschaftlichen Bedrohung erforderlich, sondern wird zusätzlich dadurch gerechtfertigt, dass Kopierschutzmechanismen nicht das Kopieren schlechthin verunmöglichen; die private Vervielfältigung auf andere Tonträger, insbesondere Musikkassetten, ist undbleibt weiterhin möglich. Unterbunden wird künftig allein das digitale «Klonen» von Musik-CDs.
* Dr. Peter Vosseler ist Rechtsanwalt in Zürich und Geschäftsführer von IFPI Schweiz, der hiesigen Landesgruppe der International Federation of Producers of Phonograms and Videograms (IFPI), des weltweit operierenden Interessenverbandes der Tonträger- und Tonbildträgerhersteller.
Kopierschutz - ein Eigentor?Bti. Die von der Musikbranche gezogene Notbremse Kopierschutz, um den Urheberrechten bei Musik-CD Nachachtung zu verschaffen, verursacht da und dort quietschende Nebengeräusche. Die Erfinder und Patentverwalter bzw. Lizenzgeber der CD sind über diekopiergeschützten, nicht mehr auf allen Geräten abspielbaren Scheiben, die ihrer Ansicht nach (von derAgentur Reuters zitiert wird Philips) auf einen Wiedergabeschutz hinauslaufen und nicht mehr den lizenzierten Standards entsprechen, ebenso wenig glücklich wie die Konsumentenverbände. Auf der einen Seite wird von einer Flut von Reklamationen empörter Konsumenten und boykottierender Händler - etwa in Grossbritannien - gesprochen, auf der andern Seite aber nur von wenigen, jedenfalls in Relation zu den verkauften CD anteilmässig nicht ins Gewicht fallenden Beschwerden. Als Problem dargestellt wird die Beeinträchtigung angeblich legalen Kopierens in Form des Klonens zumprivaten Gebrauch (entsprechendes Kopieren auf andere Tonträger bleibt gewährleistet), weil es mit«Knackprogrammen» und damit illegalen Mitteln erfolgt. Ins Feld geführt wird auch, dass auf CD-Rohlingen und -Brennern eine Gebühr erhoben werde, mit der die Urheberrechte beim Kopieren pauschal abgegolten würden. Moniert wird ferner, dass vorab der Normalkonsument bestraft werde, der an Kopien gar nicht interessiert sei, während die entsprechend engagierten Konsumenten die Codes (auf freilich strafbare Weise) reihenweise knackten und über genügend Klon-Programme verfügten; für sie sei Kopierschutz schon gar kein Thema mehr. Umstritten ist im «Kampfgetümmel» allerdings mittlerweile selbst, ob die vor Jahrzehnten geschaffene Ausnahmeregelung erlaubter Vervielfältigungfür den Privatgebrauch auf das digitale Zeitalter übertragbar ist. |
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Neue Zürcher Zeitung, 22. Januar 2002